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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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aufmachte und die frierenden Komödianten ins Haus ließ.
    Sebastian hatte unterdessen mit Muto, Manon und Fritz die Pferde ausgeschirrt und im Stall trockengerieben. Als die vier in die Stube traten, standen eine dampfende Suppe, ein Laib schwarzes Brot und ein Krug mit warmem Bier auf dem Tisch. Die Krögerin hatte sich erinnert, dass die alte Lies sie vor zwei Wintern mit ihren Kräutern vom spanischen Fieber errettet hatte und dass Rosina ihr im letzten Herbst ein Schreiben an den Rat aufgesetzt hatte, in dem genug lateinische Worte standen, um den notwendigen Eindruck zu machen. Und der Herr Jean war doch eigentlich immer ein sehr netter Herr gewesen, der eine Dame richtig zu behandeln wusste, auch wenn er nur ein Komödiant war. Kurz und gut, sie hatte sich an ihre Christenpflicht zur Dankbarkeit und an ihre leere Börse erinnert und den Komödianten erlaubt, eine Nacht zu bleiben. Oder zwei, jedenfalls lange genug, dass Helena herausfinden konnte, was mit Jean geschehen würde.
    Nein, so hatte sie beteuert, natürlich konnte sie nicht glauben, dass der Herr Jean so schlimme Dinge tat wie einem ordentlichen Hamburger Schreiber ein langes Messer in die Brust stechen. Warum auch? Aber wenn die Wache es doch gesehen hatte …
    Vielleicht, so gab sie zu bedenken, wäre es doch besser, wenn alle gleich wieder abreisten. Mitgefangen, mitgehangen. Wo ein Komödiant Böses tat, waren die anderen sicher mit im Spiel. Der Pastor Goeze von St. Katharinen habe erst am vorletzten Sonntag wieder von der Kanzel gepredigt, dass die Komödianten ein unchristliches Volk seien.
    Da hatte Titus auf den Tisch gehauen und gebrüllt, ob er denn nicht besser aus der Bibel zu reden wisse als die Frau Krögerin selbst. Und auch die Kinder seien getauft. Im Sächsischen würden die Komödianten nicht behandelt wie Tagediebe und Halsabschneider. Nur hier bei den Pfeffersäcken gelte die Theaterkunst nichts, nur Konzertgefiedel und die Oper. Und seien die Operisten etwa ehrbarer? Gar besser? Pleite sei die Hamburger Oper, auch das wisse jeder.
    Nur mit viel Mühe und einem Beutel Kaffeebohnen konnten Helena und Rosina die Krögerin überzeugen, dass Titus es doch nicht so gemeint habe. Er sei nur müde von der Reise und besorgt um den Prinzipal.
    Die Ankunft der Becker’schen Komödiantengesellschaft im April 1765 in Hamburg stand unter einem dunklen Stern.
    Jean war zwar wohlbehalten vor zwei Wochen in Hamburg eingetroffen, aber, so wurde gesagt, anstatt sich um sein Theater zu kümmern, betrank er sich und erstach den ersten Schreiber eines der reichsten Kaufleute der Stadt. Nun saß er in der Fronerei und wartete auf den Prozess, an dessen Ausgang niemand zweifelte.
    Es war nicht das erste Mal. Die Nürnberger hatten ihn für eine Nacht eingesperrt, weil er sich mit einem Diener des Bürgermeisters um eine ganz ungewöhnlich reizende Zofe geschlagen hatte. Die Wittenberger ließen ihn erst wieder heraus, nachdem sich – zum Erstaunen aller Bürger – der Herzog selbst für Jean stark gemacht hatte. Die Pastoren waren empört. Wer in der frommen Luther-Stadt drei Studenten der Theologie zu Trunk und Tabak verführte und mit ihnen in St. Marien, wo einst der Reformator persönlich predigte, mitten in der Nacht Trinklieder auf der Orgel spielte, durfte keine Hoffnung auf ein mildes Gericht haben.
    Zuletzt hatte Jean auf der Celler Kerkerpritsche geschlafen. Auf dem Theaterzettel war ein Ballett versprochen. Das fiel aus – wer weiß heute schon noch, warum? –, und Jean war nicht bereit, dem aufgebrachten Publikum einen Teil des Eintrittsgeldes zurückzuzahlen.
    Jean war ein Filou, ein großes Kind mit einem Kopf voller leichtsinniger Späße.
    Aber ein Mörder?
    «Niemals!», sagte Rosina, als sie gemeinsam mit Helena in der engen Stube unter dem Dach ihre Kisten auspackte.
    «Er mag ein Angeber sein, ein Gernegroß, und ab und zu liebt der Kindskopf eine ordentliche Prügelei. Aber er ist doch keiner, der zum Messer greift.»
    Behutsam wickelte sie den Kasten mit Tinte, Feder und Papier aus einem dicken Leintuch und stellte ihn auf den Tisch. «Hat Jean überhaupt ein Messer?»
    «Ich weiß es nicht.» Helena lehnte an der Fensterluke und sah in den Nieselregen hinaus. Es dämmerte schon, und sie fühlte nichts als eine große Müdigkeit. Nicht die Wut und die Sorge um Jean, die sie doch fühlen müsste, oder die gewöhnliche Zerschlagenheit nach einer langen Reise. Eine kalte Gleichgültigkeit lähmte sie.
    «Ich weiß es

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