Tod am Zollhaus
unwahrscheinlich, es kommt doch öfter vor. Wie viele Kanonen hatte die
Katharina
? Dreißig?»
«Nur zwanzig. Und nicht mehr Pulverkisten als unbedingt nötig.»
«Wo Pulver ist, sind auch Explosionen.»
Claes schüttelte nachdenklich den Kopf. «Aber das Kanonendeck ist weit von der Kombüse entfernt. Sonst ist kein Feuer an Bord.»
«Wer weiß, vielleicht hat irgendein junger Kerl heimlich eine Pfeife geraucht? Und wumm – schon ist es passiert.»
«Mag sein.» Claes war nicht überzeugt. Wenn sich das Pulvermagazin entzündet hätte, wäre die ganze Bark in die Luft geflogen. Aber das Loch war so tief im Bug, dass der vollbeladene Dreimaster sofort sank.
«Dann muss ich wohl auch als Glück ansehen, dass es nur dreizehn Tote gegeben hat. Die
Katharina
segelte noch in der Tejomündung. Die meisten Matrosen konnten über Bord springen, an Land schwimmen oder sich so lange an ein Brett oder ein dümpelndes Fass klammern, bis sie aus dem Wasser gefischt wurden. Trotzdem», er lachte grimmig, «noch so ein Unglück, und du kannst meinen Handel übernehmen, Joachim.»
Van Stetten zupfte an der Spitzenmanschette, die aus dem Ärmel seines eleganten grauen Samtrockes hervorsah. «Auf so einen Unsinn erwartest du sicher keine Antwort, alter Freund? Und auch mit der Explosion hattest du Glück im Unglück. Du warst doch einer der Ersten, die sich gleich im Januar in die Listen der neuen Assekuranz-Compagnie eingeschrieben haben.»
«Das stimmt schon. Aber die Versicherung trägt natürlich nur einen Teil des Verlustes. Und es geht ja um mehr als Gewinn und Verlust.»
«Hör endlich auf, dir Gedanken um die Leute zu machen, Claes. Wer zur See geht, weiß nie, ob er wieder nach Hause kommt. Daran hast du nun wirklich keine Schuld.»
Claes hatte weniger an die Toten gedacht als an die beunruhigende Serie von Unglücken, die sein Haus trafen. Aber Joachims Mitgefühl tat ihm wohl. Er kannte ihn seit ihrer gemeinsamen Kinderzeit. Daniel van Stetten, der ältere Bruder, war sein bester Freund gewesen. Bis zu ihrem dreizehnten Jahr hatten sie den gleichen Hauslehrer gehabt und die Streiche ihrer Jugend geteilt. Dann wurde Claes nach London und Daniel nach Amsterdam in die Lehre geschickt, so wie es in den alten Kaufmannsfamilien üblich war.
Später übernahmen beide von ihren Vätern ein Handelshaus, das in Generationen groß geworden war. Die Konkurrenz hatte ihrer Freundschaft nicht geschadet.
Daniel war vor drei Jahren gestorben, und Joachim, der in den letzten Jahren die Interessen seiner Familie in London vertreten hatte, kehrte zurück. Er übernahm die Leitung des Handelshauses und wurde, wie zuvor sein Bruder Daniel, Claes’ Freund und Vertrauter. Es war ein schwarzes Jahr für Claes gewesen. Erst verlor er Daniel, dann Maria. Er wusste nicht, wie er diese schwere Zeit ohne Joachim überstanden hätte.
Er hatte sich gewünscht, dass ihre Söhne diese Freundschaft in die nächste Generation tragen würden. Aber Joachim hatte erst spät geheiratet. Als sein Sohn geboren wurde, sein erstes Kind, war der älteste Herrmanns schon in der Lehre in Bergen. Aber eine der drei Töchter, die Gritt van Stetten in den folgenden Jahren noch geboren hatte, würde vielleicht die richtige Braut für Nicolas sein. Claes’ Jüngster hatte gerade seinen zehnten Geburtstag gefeiert. Seit Aschermittwoch war er in Köln bei seiner Tante Corinna, um sich in dem milderen Klima des Rheintals von einem hartnäckigen Husten zu erholen.
Hoffentlich gerieten Joachims Töchter nicht nach ihrer Mutter. Bei der späten Wahl seiner Braut hatte er weniger auf Klugheit, Güte und ein fröhliches Herz geachtet als auf die vielversprechenden Handelsbeziehungen, an denen Gritts Familie ihn teilhaben ließ. Claes wusste nicht, ob er es bereut hatte. Er sprach nie über seine Ehe, und Claes war zu diskret, um ihn danach zu fragen.
Joachim leerte sein Glas. Dann stand er auf und legte Claes freundlich die Hand auf die Schulter. «Ich muss zurück ins Kontor. Wenn es bedrohlich wird, weißt du, dass ich immer helfe. Versprich mir, dass du mich zuerst fragst, wenn du Hilfe brauchst.»
«Versprochen, Joachim. Ich danke dir.»
Claes wusste, dass Joachim wie die meisten anderen Hamburger Kaufleute in diesen Zeiten hart rechnen musste. Mit dem Ende des Krieges, in dem das neutrale Hamburg gute Geschäfte gemacht hatte, ordnete sich die Welt und ganz besonders der Handel neu.
Die meisten Hamburger Kaufleute holten mehr als die Hälfte ihrer Waren
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