Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
Vom Netzwerk:
Fähigkeit, in allem einen guten Kern zu finden.
    Selbst Emilys Verlobung mit ihrem geliebten Maler war inzwischen für ihn zum Glück geworden. David sei ein prächtiger Mensch. Und ein so geduldiger Zuhörer. Es sei ihm nicht nur gelungen, Madame Maynor, die argwöhnische Gattin des Arztes, für sich einzunehmen. Auch Frederik, der doch jeden, der um seinen Liebling Emily warb, mit grimmiger Kälte behandelte, die selbst einem sehr alten Butler nicht zustand, habe David sein Herz geöffnet.
    Und es sei wunderbar, einen Portraitisten in der Familie zu haben.
Wenn Emily im Sommer mein Haus verlässt, kann ich doch jeden Tag ihr Bild betrachten. David hat es mit dem Auge der Liebe wirklich vortrefflich gemalt.
    Annes Portrait sei leider nicht fertig geworden, weil seine eigensinnige Schwester darauf bestand, so plötzlich und ohne die wochenlange Vorbereitung, die Frauen doch sonst für eine so weite Reise brauchen, mit Braniff nach Hamburg zu segeln.
    Ich bitte Dich, mein Freund,
schrieb Paul,
habe ein wachsames Auge auf sie und Matthews. Er ist zwar um unzählige Ecken herum irgendwie mit uns verwandt, dennoch hätte ich es lieber gesehen, wenn sie in Deinem Haus gewohnt hätte. Aber Du kennst meine Schwester, sie hat ihren eigenen Kopf, und an Matthews scheint sie einen Narren gefressen zu haben. Dabei geht in London das Gerücht, er sei ein windiger Kerl. Was spricht man in Hamburg über ihn?
    Braniff hingegen, schrieb Paul noch, gebärde sich wie ein Windhund, sei aber tüchtig, zuverlässig und ein kluger Kopf. Claes erinnerte sich gut an den falschen Erfinder, dem Paul während ihrer gemeinsamen Jugendjahre in London für irgendeine mechanische Revolution ein kleines Vermögen anvertraut hatte. Und verloren. Den hatte er auch für einen zuverlässigen, klugen Kopf gehalten.
    Die Kerzen waren fast heruntergebrannt und flackerten unruhig. Claes steckte neue auf den Leuchter.
    Blohm hatte einen Vorrat für die Nacht auf dem Tisch bereitgelegt. Er wusste, dass Claes in diesen Tagen schlecht schlief und vor dem Zubettgehen gern noch eine Stunde für sich allein in seinem Zimmer saß, bis der Lauf seiner Gedanken sich beruhigte.
    Matthews. Was sprach man über ihn in Hamburg?
    Zum ersten Mal bedauerte Claes, dass er sich nie um den Klatsch an der Börse, in den Kontoren und Salons der Stadt kümmerte. Er mochte Thomas Matthews nicht, auch wenn er nicht benennen konnte, warum. Der junge Kaufmann war ihm zu glatt, zu geschmeidig. Hinter seinem ständig lächelnden Gesicht argwöhnte Claes nichts als den Versuch, sich bei den wichtigen Leuten beliebt zu machen.
    Jeder wusste, dass Matthews hart kämpfen musste, aber es schien ihn nicht zu bedrücken. Seine Londoner Familie war mit dem Brasilienhandel über die portugiesischen Häfen reich geworden. Der ganze portugiesische Handel war seit Jahrzehnten fest in englischer Hand. Das brasilianische Gold und die reiche Ausbeute aus den Diamantenminen flossen in englische Kassen, und die Weine aus Porto, das einzige, was der karge westiberische Boden für den Handel hergab, wurden fast ausnahmslos an eine Londoner Handelsgesellschaft verkauft.
    Auch der Port, mit dem in Hamburg gehandelt wurde, machte nicht portugiesische, sondern englische Händler reicher. Wenn es französischen, holländischen oder deutschen Kaufleuten gelang, ein paar Fässer direkt von portugiesischen Händlern zu kaufen, waren es immer nur Weine schlechter Qualität. Der erstklassige Port in den Fässern, die mit der Bark auf dem Grund des Tejo lagen, waren, wenn man es genau nahm, Schmuggelware.
    Portugal! Warum hatte er nicht gleich daran gedacht? Matthews musste in Lissabon die besten Verbindungen haben. Und die Stadt am Tejo war berüchtigt. Der portugiesische König und seine Vasallen galten als die reichsten Fürsten in ganz Europa, ihre Paläste waren prächtig wie die des französischen Adels.
    Das Volk hingegen hungerte wie kaum ein anderes auf dem Kontinent. In den Hüttendörfern, stinkenden Pestbeulen am Rand der reichen Hauptstadt, war das Leben noch elender als in den Slums von London. Überfälle und Einbrüche, Diebstähle und Morde waren an der Tagesordnung. Diese Auswüchse der Armut rund um das herrschaftliche Lissabon waren der einzige Grund, warum Claes sich Sorgen um Sophies Ehe mit Martin machte.
    Für jemanden mit Matthews’ Verbindungen musste es leicht sein, in Lissabon ein Schiff versenken zu lassen.
    Er wollte Joachim fragen. Gewiss wurde auch an den Billardtischen in Jensens

Weitere Kostenlose Bücher