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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Worte auf einen Bogen Papier. Eigentlich war das nicht nötig. Er hatte nur wenig von dem verstanden, was Martin gemurmelt hatte, auch den Sinn hatte er nicht begriffen. Aber diese beiden Worte waren ganz klar gewesen.
    Sophie konnte sie nicht verstehen, weil sie in ihrer Welt nicht vorkamen. Das hoffte Claes jedenfalls. Martin träumte nicht von den Färöern und irgendeinem Gamben-Hans. Er hatte von Pharo und vom Gambling House gesprochen.
    In allen Städten, in denen die Engländer zu Hause waren, gab es Spielhöllen, in denen Pharo gespielt wurde. Das Glücksspiel konnte einen unbeherrschten Spieler in einer Nacht um seinen ganzen Besitz bringen.
    Das berühmteste war das Gambling House in London. Es war über einen unauffälligen, schmutzigen Hof am Rande der Slums zu erreichen. Grimmige Diener bewachten die unscheinbare Tür. Nur wen sie für würdig, und das hieß für reich genug befanden, ließen sie in das mit rotem Samt tapezierte Foyer treten. Goldgerahmte Spiegel und der Glanz von zahllosen Kerzen auf Kristallüstern, das gedämpfte Lachen der Kokotten aus den Spielzimmern und Séparées, schwerer Moschusduft und das Klingen von Gläsern und Geigen wirkten wie der Rauch aus den Wasserpfeifen in orientalischen Basaren. Alles schien möglich. Unmöglich schien nur, in diesem Paradies zu verlieren.
    Claes hatte Glück gehabt, damals.
    Was wusste Martin von diesem Haus? Oder war er in Lissabon selbst in die Fänge der Berufsspieler geraten? War er etwa nur so heimlich nach Hamburg gekommen, weil er auf der Flucht vor seinen Gläubigern war?
    Martin war jung und unerfahren. Wer konnte wissen, welchen Verlockungen er in der Hitze des Südens erlegen war?
    Aber der Brief, den er mit dem Geheimkurier vorausgeschickt hatte, war eindeutig. Egal, welche Spielhölle seine Träume verdüsterte, Martin wusste, auf welche Weise und in wessen Auftrag die
Katharina
untergegangen war. Und nur das war jetzt wichtig.
    Claes warf einen letzten Blick auf den Lichtschein von der Jungfernbrücke und schloss das Fenster. Martin brauchte mehr als Sophies Pflege. Martin musste beschützt werden. Niemand, der nicht zur Familie gehörte, durfte in sein Zimmer. Auch Braniff nicht. Und Anne? Nein, auch Anne nicht. Alle Eingänge des Hauses mussten ständig bewacht werden, und Augusta und Sophie durften das Haus nicht mehr ohne Begleitung verlassen.
    Es war genug gemordet worden.
     
    «Wach auf», zischte eine aufgeregte Stimme, «so wach doch bitte wieder auf.»
    Eine lästige, kühle Hand schlug ihr leicht immer abwechselnd auf beide Wangen. Rosina blieb nichts anderes übrig, als die Augen zu öffnen. Sie hatte also nicht geträumt. Sie war in der Komödienbude, und der Mann im schwarzen Rock lehnte immer noch an der umgestürzten Bank. Aber er starrte sie nicht mehr so entsetzlich an, jemand hatte ein Tuch über seinen Kopf gelegt.
    «Dem Himmel sei Dank», flüsterte die Stimme, «für einen Moment dachte ich, dir sei die Luft endgültig weggeblieben. Geht’s wieder besser?»
    Sebastians Gesicht tauchte aus dem Dunkel auf. Er strich ihr vorsichtig das zerzauste Haar aus der Stirn.
    «Wer ist das?» Rosina schob seine Hand fort und zeigte auf den Mann. «Ist er tot?»
    «Pssst! Sei doch leise. Willst du, dass man uns direkt neben einer Leiche findet? Dann geh doch gleich in den Kerker.»
    Sie sah ihn erschrocken an, sein Gesicht war kaum zu erkennen. Er hatte die Tür geschlossen, und durch die Ritzen der Bretterbude fiel nur wenig Mondlicht. Sie versuchte klar zu denken, aber in ihrem Kopf war nichts klar. Sie erinnerte sich nur an diesen Mann mit dem entsetzlich verzerrten Gesicht und an die feste Hand auf ihrem Mund. «Du hast mich fast erstickt!»
    «Ich wusste ja nicht, wer da zur Tür hereinschlich. Warum läufst du auch in Männerkleidern herum? Bei deinem ersten Schrei hätte sich innerhalb von Minuten die halbe Stadt hier versammelt. Wenn du so einen Lärm gemacht hättest wie die arme, verfolgte Melusine im «Götterfest von Thrakien», wäre wahrscheinlich sogar der Mörder wieder zurückgekommen.»
    Rosina wurde wieder schwindelig.
    «Oder glaubst du, dass dieser Mann an der Influenza gestorben ist? Ich habe ihn nicht umgebracht, aber irgendwer muss es getan haben. Was tust du überhaupt hier, mitten in der Nacht?»
    Rosina antwortete nicht. Sie beugte sich zu dem Toten und sah vorsichtig unter das Tuch. «Kennst du ihn?»
    «Fall bloß nicht wieder in Ohnmacht», flüsterte Sebastian. «Ich habe keine Ahnung, wer das

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