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Tod am Zollhaus

Tod am Zollhaus

Titel: Tod am Zollhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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Kaffeehaus über Matthews geredet.
    Es war schade, dass Joachim heute Abend abgesagt hatte. Gerade in der ersten mühsamen Stunde des Abends hätte seine heitere Gegenwart Claes geholfen. Aber wenn es um Duchess ging, wenn sie gar wie heute eine Kolik hatte, war Joachim alles andere egal. Er hatte die kostbare schwarze Stute aus London mitgebracht und liebte sie wie ein Knabe sein erstes Pony. Jeden Tag ritt er sie gleich nach Sonnenaufgang vor den Wällen. Claes verstand diese Verehrung für ein Tier nicht, aber sie berührte ihn.
    Joachim konnte er trauen. Claes fröstelte. Konnte er das wirklich? Auch nach dem, was Braniff aus London berichtet hatte?
    Claes hatte Joachim seit dem Tag, an dem er aus London heimkehrte, um nach Daniels Tod das Handelshaus van Stetten zu leiten, blind vertraut. Es war tröstlich gewesen, die brüderliche Freundschaft zu Daniel van Stetten einfach auf den jüngeren Bruder zu übertragen. Joachim galt zwar – wie Matthews – in seiner Jugend als Leichtfuß, und auch wenn er ihm in so vielem glich, war er doch nicht Daniel. Aber Joachim hatte sich in den Jahren fern von Hamburg verändert. Er war ruhiger geworden, ein zuverlässiger Kaufmann. Und ein treuer Freund. Das hatte er ganz besonders in den schweren Monaten nach Marias Tod immer wieder bewiesen.
    Ihm zu misstrauen war ein Treubruch. Nur weil Captain Braniff, den er noch keine vier Tage kannte, abenteuerliche Geschichten aus London erzählte, mussten sie nicht wahr sein. Immerhin war der Engländer ein ehemaliger Freibeuter, und auch jetzt noch, zwei Jahre nach dem Ende der großen europäischen Kriege, machte er Geschäfte mit dem Schmuggel. Nicht weil ihn die Not dazu zwang, sondern ganz offensichtlich, weil es ihm Spaß machte.
    Braniff konnte sich auch einfach nur geirrt haben. So wie er, Claes, sich mit seinem Verdacht gegen Anne geirrt haben musste.
    Und was ging es ihn überhaupt an, wenn Joachim in London tatsächlich falsch gespielt hatte? Das war nicht gerade ehrenhaft, aber deswegen war er noch kein schlechter Mensch, es gab keinen Grund, an seiner Freundschaft zu zweifeln.
    Wahrscheinlich war er an der Themse in üble Gesellschaft geraten. Aber hier, zu Hause in Hamburg, hielt sich Joachim an seinesgleichen und kümmerte sich nur um seine Geschäfte.
    Oder etwa nicht?
    Claes stöhnte und suchte in seiner Rocktasche nach dem Fläschchen, das Sophie ihm heute Nachmittag gegeben hatte. Er betrachtete es zweifelnd, zog vorsichtig den Stopfen heraus und hielt es an die Nase. Nicht schlecht. Sophie wusste nicht, welche Essenzen die alte Heilerin gegen seine Kopfschmerzen zusammengemischt hatte, aber es roch gut. Er verrieb einen Tropfen der öligen Flüssigkeit zwischen den Fingern und sog den frischen Duft tief ein. Minze, vielleicht auch Thymian. Es konnte wohl kaum schaden.
    Er lehnte sich zurück und schloss die Augen.
    Das war ihm alles viel zu kompliziert. Sein Leben war immer einfach und klar gewesen. Bis zu dieser unglückseligen Reise nach Jersey. Damit hatte alles angefangen. Doch sicher wäre seine Bark auch explodiert, wenn er nicht nach Jersey gefahren wäre.
    Auch Behrmanns Tod hatte mit dieser Reise nichts zu tun. Aber irgendwie musste alles zusammenhängen. Es musste eine Klammer geben, die alles verband. Behrmann musste gewusst haben, was sich abspielte. Der treue, fleißige Behrmann.
    Erst jetzt bemerkte Claes, wie wenig er über ihn wusste. Er kam aus einem der Dörfer nördlich der Wälle, aus welchem, hatte er vergessen, und war bei einem Lübecker Händler in die Lehre gegangen. Es schien, als habe es für ihn in den letzten Jahren nichts gegeben als das Herrmanns’sche Handelshaus. Claes mochte ihn, auf eine gewisse Weise war Behrmann ihm von Anfang an vertraut gewesen. Aber das Kontor war das Kontor. Privates hatte da keinen Platz.
    Ob er auf Martin eifersüchtig gewesen war?
    Claes war nie auf den Gedanken gekommen, zu fragen, ob Behrmann den Posten in Lissabon wollte. Nicht, weil er es ihm nicht zugetraut hätte, aber Behrmann gehörte in sein Kontor wie Tintenfass und Börsennachrichten. Er war ihm unersetzlich erschienen. Er hätte ihm das einmal sagen sollen. Martins schneller Aufstieg musste ihn gekränkt haben.
    Und die Verlobung mit Sophie? Hatte Behrmann auf eine Ehe mit Sophie spekuliert? Sicher nicht. Claes lächelte. Er konnte sich Behrmann nicht als Liebhaber oder Ehemann vorstellen. Doch wer weiß, welche Leidenschaften sich hinter der korrekten, immer ein wenig papierenen Fassade

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