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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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trieben ein paar Rosenblätter, der gestreifte Sonnenschirm war geöffnet. Im Türrahmen des Haupthauses fand Niccolò ein Herrenhemd auf dem Boden, dreckige Fußspuren darauf. Die Luft und die Stufen des Treppenhauses waren bedeutend kühler als draußen. Dieses Rimella hinter den dicken Mauern war auch im Sommer erfrischend wie ein klarer Bach, in diesem Rimella stach die Sonne niemals aufs Fell.
    Niccolò war die Stufen zu Cinecitta noch nie emporgegangen. Er hatte sich immer nur vorgestellt, wie es bei den Bolgheris wohl aussah, wie sie ihre edle Hündin auf feinsten Kissen betteten und Näpfe aus Marmor benutzten. Als er die Tür zur Wohnung der Familie mit der Schnauze aufstieß, konnte Niccolò sehen, dass er nicht allzu weit von der Wahrheit entfernt gelegen hatte. Überall im Flur hingen gerahmte Fotos von Cinecitta, eine Glasvitrine enthielt Pokale, deren Deckel von posierenden Hunden gekrönt waren. Sie sahen alle aus wie Cinecitta. Niccolòs Weg führte ihn zuerst in die Küche. Die Näpfe standen auf einer kleinen runden Stickdecke und waren aus Porzellan in Knochenform. Erst danach bemerkte Niccolò die Teller auf dem Tisch, darauf eine einfache Pasta mit Sardellen gekrönt. Und nur zu einem Drittel gegessen, auf beiden Tellern. Im Schlafzimmer der Bolgheris war das Bett zerwühlt, Kleidung lag verstreut auf dem Boden, und der große Schrank war aufgerissen, viele Fächer leer.
    Doch nirgendwo Cinecitta. Ihr Geruch, ihr betörender Duft, hing überall in den Stoffen und Wänden, wie eineErinnerung an bessere Tage. Niccolò ging hinaus auf den Balkon, um wie sie auf die Piazza zu schauen. In diesem Moment stürzte sich die Einsamkeit auf ihn und fraß ihn auf mit einem Bissen, schluckte ihn in ihren dunklen Magen, dessen Wände zu eng und dessen Säure beißend war.
    Niccolò war allein. Zum ersten Mal in seinem Leben. Hunde waren nicht allein, dachte Niccolò, und suchte Fenster für Fenster die umliegenden Gebäude nach einem Lebenszeichen ab. Hunde lebten mit ihrer Familie, mit Freunden. Sie waren nicht gemacht zum Alleinsein. Sie konnten nicht allein sein. Durften es nicht.
    Er war der Hund seines Herrn Aldo, er war Giuseppes, Canaiolos und Ernestos Freund, er war Cinecittas Bewunderer und der schnellste Läufer von Rimella. Doch wer war er ohne Bianca, Giuseppe, Canaiolo, Ernesto und Cinecitta, wer ohne sein Rimella? Wer war er dann?
    Cinecittas Duft lag überall, in jeder Ecke der Wohnung und sogar auf dem Balkon. Er machte Niccolòs Einsamkeit noch schlimmer. Der junge Hund rannte hinaus aus ihrem Reich, rannte die Treppenstufen hinunter, rannte durch die schattige Dunkelheit zum Tor.
    Und spürte plötzlich scharfe, spitze Zähne in seinem Rücken.
     
    Namen trugen sie nicht, sie waren eine Einheit. Drei Wölfe, zwölf Klauen, unzählige Zähne. Sie waren bekannt als ›Die Kralle‹, da sie nicht mehr losließen, was sie einmal hatten, und es schneller wegtrugen als ein Vogel. Sie jagten über den Feldweg wie ein einziges Tier, ihre Beine verschwommen zu einem braungrauen Schemen, und ihr Lauf klang wie ein Felsblock, der durch das Unterholz rollte. Sie stießen kurze Laute aus, keine Worte, doch jeder von ihnen wusste, was gemeint war. Grarr hatte ihnen einen Befehl gegeben, nachdem sie ihm von der Leiche berichtet hatten, sie postwendendauf den Weg nach Rimella geschickt und Blutdurst in ihre Fänge gelegt. Den alten Aurelius liefen sie fast über den Haufen. Nicht aus Versehen, sondern weil sie es so wollten. Er war alt und er war schwach, er war nicht nur eine Last, er war eine Schande für das Rudel.
    Aurelius kannte das traurige Spiel und blieb stehen, als er sie näherkommen hörte. Er wurde ganz ruhig, ließ der Jugend ihren dummen Übermut. Früher war er wie sie gewesen, nur hatte er stets alles allein regeln müssen. Wenn er einem Gegner gegenüberstand, gab es keine Drei-zu-eins-Chance, dass dieser jemand anderen angriff. Er hatte immer Aurelius angegriffen. Aurelius hatte immer überlebt.
    Der Wald lichtete sich. Es kam Aurelius stets vor, als machten die Bäume an dieser Stelle einen furchtsamen Schritt zur Seite, denn in der Höhle vor ihnen hauste Grarr. Ein schmächtiger Wolf stand neben dem engen Loch, das hineinführte ins Dunkel. Keine Wache, das hätte Grarr für ein Zeichen der Schwäche gehalten. Es war mehr ein Diener, der Besuch ankündigte.
    Als Aurelius sich näherte, versperrte ihm dieser den Eingang.
    »Wir haben dich nicht so früh erwartet, Graufell«, sagte der

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