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Tod & Trüffel

Titel: Tod & Trüffel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Sebastian Henn
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sich wieder von Giacomo zu trennen, war es auch nur für kurze Zeit. Doch sein Herz würde erst ruhiger schlagen, wenn er Isabella gesehen hatte. Und Canini. Bei dem Gedanken an die Spanielhündin entfaltete sich plötzlich ein neues Gefühl in ihm. Es gefiel ihm sehr.
    Als Niccolò sich auf den Weg machte, bemerkte er, dass auf der Straße aus Alba an diesem Tag viel mehr Autos als sonst unterwegs waren.
    Eines davon kannte er sogar.
    Vor allem dessen Rückbank.
    Es war der Wagen seiner Menschen. Er konnte die Frau und das Mädchen mit dem hellen Haarzopf erkennen, mit denen er sein ganzes bisheriges Leben verbracht hatte. Bis zu dem Moment, als sie verschwanden. Niccolò erinnerte sich daran, wie es gewesen war, ihre Hände auf seinem Fell zu spüren oder dem alten Fußball nachzujagen, seinem einzigen Spielzeug.
    Anscheinend wollten sie zurück ins Dorf. Vielleicht, um wieder dort zu leben, oder nur, um ein paar Sachen abzuholen. Es war ihm egal. Mit ihnen hatte er in einem Traum gelebt, doch nun war er aufgewacht. Einschlafen würde er nicht mehr können. Und wollte es auch nicht.
    Sein neues Zuhause telefonierte neben ihrem Zelt, dabei nervös auf- und abgehend, ständig mit der freien Hand in der Luft herumfuchtelnd, wie um Stechmücken zu vertreiben. Canini lag im Schatten, alles im Blick behaltend, als müsse sie aufpassen, dass die Welt nicht wieder aus dem Ruder lief.
    Fröhlich wedelnd kam sie nun auf Niccolò zu und leckte ihm die Schnauze.
    »Wo hast du nur so lange gesteckt?«
    »Ich hab anderen beim Schlafen zugesehen.«
    »Und das macht Spaß?«
    Niccolò dachte nach. »Ich kann mir im Moment nichts Schöneres vorstellen.«
    »Na, hier gibt es keinen, dem du dabei zugucken kannst. Isabella quasselt unentwegt. Hast du schon gesehen, dass die Wölfe weg sind?«
    Er musste lange und viel erklären, auch alles, was Isabella nun tat und dachte. Fast den ganzen Tag telefonierte sie oder sprach mit irgendwelchen wichtigen Menschen. Sie schien die Arbeit eines Mondumlaufs an einem einzigen Nachmittag erledigen zu wollen. Dank der perfekten Verbindung entfaltete sich alles vor ihm, und er erzählte Canini von Burgnichs Betrug, und dass die Menschen Rimellas nun wieder zurück in ihre Häuser konnten.
    »Und die Wölfe?« Canini tänzelte um das Thema herum, das sie eigentlich interessierte.
    »Die bekommen ein großes Revier und werden geschützt. Bevor du jetzt weiter fragst: Isabella wird vorerst hier bleiben. Sie zieht in eines der unbewohnten Häuser, damit sie nahe an den Wölfen ist. Sie wird anscheinend dafür bezahlt, dass sie die beobachtet.«
    »Und ... du? Ich meine, gehst du jetzt zurück?«
    »Ich hoffe nicht«, sagte Niccolò. »Ich würde gerne bei ihr bleiben. Und bei dir.« Die letzten Worte waren ihm schwergefallen. Es gab noch viel mehr, was er der Spanielhündin sagen wollte, aber er wusste einfach nicht wie. Canini verstand trotzdem. Sie trat an Niccolò heran und leckte ihm zärtlich über die Schnauze. Dann sprang sie übermütig davon.
    Doch ob er bleiben durfte, hing nicht allein von ihm ab. Er war ein Hund, und die Menschen entschieden, zu wemer gehörte. Er konnte nur hoffen, dass Isabella so viel Interesse an ihm hatte wie am Schicksal der Wölfe.
    Die Antwort sollte er noch in dieser Nacht bekommen.
     
    Trotz der nächtlichen Kühle schlief Isabella vor ihrem Zelt, dick eingemümmelt, so dass nur Augen, Nase und Mund aus dem zugezogenen Schlafsack hervorlugten. Sie wollte diese Nacht nicht ohne Canini und Niccolò verbringen. Schnell kam der Traum über sie, und das kleine Italienische Windspiel gesellte sich in diesem zu ihr.
    In dieser anderen Welt war schon der Frühling in Rimella eingezogen, als müsse er nirgendwo sonst sein. Die Farben der perfekten Blüten, Bäume, Sträucher und Gräser strahlten, die Häuser waren belebt, doch ohne Geschrei und Gezeter, wie es sonst so typisch für die Tage in Rimella war. Von der Waldkuppe aus blickte ein Wolfsrudel auf den Ort, so ordentlich, als säße es wie Tauben auf einer Hochspannungsleitung. Das war nicht die wahre Welt, es war die wohltuende Salbe, die ein gütiger Traum auf Isabellas Seele strich. Gemeinsam gingen sie hinunter zur Piazza. Ihre Hände zu einer Schüssel geformt, trank Isabella aus dem Brunnen und ging in das Haus neben Cinecittas, in das sie einziehen würde. Das Gebäude war im Traum jedoch anders beschaffen als in Wirklichkeit. Es glich eher einer Wohnung, die mit Aktenordnern, Tierpräparaten, großen

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