Tod an der Ruhr
Nepomukzena Huckes verblüfft.
»Das haben meine polizeilichen Nachforschungen ergeben«, antwortete Grottkamp. Die Frau des Kranführers war beeindruckt.
»Wann ist der Tiefenbach denn nun am Sonntagabend hier gewesen?«, fragte Grottkamp noch einmal.
»Also spät war es auf jeden Fall. Mein Mann und ich gehen jeden Abend zwischen neun und halb zehn ins Bett. Wir müssen ja morgens um halb fünf wieder raus. Und an dem Sonntag haben wir den Tiefenbach nicht mehr gehört. Also waren wir schon eingeschlafen, als er ins Haus gekommen ist.«
»Carl Tiefenbach hat gegen viertel nach zehn die Schnapsschänke auf der Dorstener Straße verlassen«, erklärte Grottkamp. »Er behauptet, er sei auf schnellstem Wege hierher gegangen und um kurz vor elf in seinem Bett gewesen.«
»Das könnte sein«, sagte Frau Huckes.
»Aber es kann auch sein, dass er erst kurz vor Mitternacht in seiner Kammer war«, stellte Grottkamp fest.
»Sagen Sie mal, Herr Sergeant, glauben Sie eigentlich, dass jemand den Terfurth erschlagen hat?«
»Ja, das nehme ich an.«
»Und Sie halten es für möglich, dass unser Carl Tiefenbach es gewesen ist?«
»Er hat den Terfurth gehasst.«
»Ja, das hat er wohl«, murmelte Nepomukzena Huckes nachdenklich.
Eine Weile schälte sie schweigend die letzten Kartoffeln. Als Grottkamp aufstand und den Stuhl zurück an den Tisch schob, sagte sie: »Es tut mir leid, dass ich nicht mehr weiß. Ich würde Ihnen gerne weiterhelfen. Das können Sie mir glauben.«
Grottkamp nickte. Die Frau des Kranführers hob den Topf mit den geschälten Knollen vom Küchentisch.
»Das ist übrigens der Rest von Ihren Kartoffeln«, sagte sie lächelnd.
»Von meinen?«
»Na, von denen, die Sie diesem betrügerischen Bauern auf dem Markt abgeluchst haben.«
ZWANZIG
»Nein, nein, lieber Martin! Als Vigilant eigne ich mich nun wirklich nicht.«
»Jetzt hör aber auf, Arnold Kerseboom! Du tust gerade so, als wäre das was Ehrenrühriges. Du sollst diesen Banfield doch nicht bespitzeln. Er redet nun mal gerne mit Hüttenarbeitern. Also, hör dir an, was er zu sagen hat! Das ist alles, was ich von dir will.«
»Genau das nenne ich Bespitzeln. Ich soll ihn aushorchen, und dir anschließend berichten, was er erzählt hat. Warum befragst du ihn denn nicht selbst?«
»Jetzt mach dich nicht lächerlich!«, ereiferte Grottkamp sich. »Es sieht so aus, als hätte Edward Banfield die Absicht, aufrührerische Ideen in der Arbeiterschaft zu verbreiten. Und es könnte sein, dass er das im Auftrag der englischen Industrie tut, um der Hüttengewerkschaft zu schaden. Wenn das zutrifft, dann könnte er sogar einen guten Grund gehabt haben, Julius Terfurth zu töten oder ihn töten zu lassen. Vielleicht hatte der Hammerschmied ja seine Absichten durchschaut und ihm angedroht, die Behörden zu informieren. Glaubst du wirklich, unter diesen Umständen würde er mir erzählen, was er hier in Sterkrade tut? Dieser Edward Banfield ist kein Idiot. Als ich ihn im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ befragt habe, da hat er mich doch auch mit ein paar ausweichenden Antworten abgespeist.«
Arnold Kerseboom zupfte ein Knäuel Tabak aus seinem Beutel und begann seine Pfeife zu stopfen. Grottkamp nahm einen tiefen Schluck von Kaspar Ostrogges gutem Pils. Der Wirt hatte sich zu den beiden Freunden gesetzt, hielt die Arme über dem Bauch verschränkt und lauschte aufmerksam dem Disput.
In der Marktschänke ging es an diesem Montagabend ruhig zu. Ostrogges Tochter Katharina stand am Fass und zapfte ohne Eile. Sie füllte die Bierkrüge, wie sie es von ihrem Vater gelernt hatte, mit einer kräftigen Schaumkrone obenauf.
Martin Grottkamp hatte bereits in aller Ausführlichkeit von seinem gestrigen Besuch im Kasino der Gesellschaft Erholung berichtet, von Hütteningenieuren in gebügelten Anzügen, von dicken Teppichen und weichen Sesseln und vom Goldpokal in der Vitrine. Die Herren Haniel, Lueg und Jacobi seien recht umgängliche Menschen, hatte er erzählt, und sie hätten aufmerksam seinen Ausführungen über Mister Banfield gelauscht.
Ja, diesen Edward Banfield, den gelte es in den nächsten Tagen sehr aufmerksam zu beobachten, hatte er den beiden Freunden erklärt. Und dann war er auf die Idee gekommen, dass Arnold Kerseboom besser als er selbst herausfinden könne, was der Engländer eigentlich im Schilde führte. Schließlich hatte Banfield dem Former schon einmal allerlei Interessantes erzählt.
»Natürlich hat das Wort Vigilant einen unangenehmen
Weitere Kostenlose Bücher