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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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selbst nicht die Mittel, um für eine Krankenbehandlung aufzukommen.«
    »Da haben Sie wohl recht, Grottkamp.« Der Gemeindevorsteher blätterte durch den Papierstapel, der neben ihm auf dem runden Tisch lag. »Hier haben wir es ja. Ein Schreiben vom Bürgerhospital in Köln an den Bürgermeister von Holten. Klinge hat es an die Gemeindeverwaltung von Sterkrade weitergeleitet. Und jetzt haben wir die Kostenrechnung am Hals.«
    »Was heißt das, Herr Vorsteher? Die Gemeinde Sterkrade muss den Krankenhausaufenthalt für die Sander bezahlen?«
    »So sieht das aus, Grottkamp. Das Gesetz über die Verpflichtung zur Armenhilfe sieht es so vor«, bestätigte Overberg. »Wir werden natürlich versuchen, das Geld von der Sander zurückzubekommen. Aber bei den paar Groschen, die sie als Schankmagd verdient, wird es Jahre dauern, bis sie die Schuld beglichen hat. So eine Behandlung im Hospital kostet nämlich nicht wenig.« Er hielt das Schreiben aus Köln mit ausgestrecktem Arm vor sich hin und versuchte es zu entziffern. »Ach ja, hier steht es: Die Kosten für die Behandlung der syphilitisch erkrankten Margarete Sander, mittellose Magd zu Sterkrade in der Bürgermeisterei Holten, vom 13. des Monats Juli bis zum 15. des Monats August anno 1866, von sechseinhalb Silbergroschen pro Tag, ergo von sieben Talern elf Silbergroschen für vierunddreißig Aufenthaltstage.«
    Die Höhe der Kosten war nicht das, was Grottkamp verblüffte. »Woran war die Sander erkrankt?«, fragte er ungläubig.
    »Die Lustseuche hatte sie sich gefangen. Wussten Sie das nicht?«
    »Die Lustseuche? Nein, das wusste ich nicht. Mir hat sie irgendwas von Schwäche erzählt.«
    »Aber bei ihrem Lebenswandel ist eine syphilitische Erkrankung doch nicht verwunderlich«, stellte Overberg fest.
    »Nein eigentlich nicht«, sagte Grottkamp verwirrt.
    »Jedenfalls steht hier, dass sie geheilt entlassen worden ist«, erklärte Overberg, während er mit dem Zeigefinger auf das Schreiben des Kölner Hospitals tippte. »Und im Moment bin ich ganz froh, dass sie den Betrieb im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ aufrechterhält, zusammen mit dieser, na ja, mit diesem Stubenmädchen.«
    »Mit Maria Schneider«, half Grottkamp.
    Overberg nickte. »Es wäre nicht gut, wenn wir das Gasthaus jetzt schließen müssten«, fuhr er fort. »Allein schon wegen der Fuhrleute. Ich wüsste nicht, wo die mit ihren Pferden und ihren Wagen in Sterkrade Unterkunft finden sollten. Außerdem haben wir gerade in diesen schwierigen Zeiten darauf zu achten, dass das Leben so normal wie möglich weiterläuft. Aber ich glaube, das habe ich schon mal gesagt dieser Tage.«
    »Das haben Sie in der Tat, Herr Vorsteher«, bemerkte Grottkamp. »Aber können die beiden jungen Weiber denn auf Dauer das Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ führen?«
    »Selbstverständlich nicht!« Der Gemeindevorsteher schüttelte entschieden den Kopf. »Einer Person wie der Margarete Sander können wir doch nicht die Konzession für die Beherbergung von Reisenden und den Ausschank von Bier und Branntwein erteilen. So wie es aussieht, ist ein Vetter von Küppken der einzige in Frage kommende Erbe. Dem ist es recht, dass die beiden Frauen vorläufig die Lokalität betreiben. Was auf Dauer wird, das müssen wir abwarten. Aber weitergehen wird’s schon irgendwie mit dem Wirtshaus. Schließlich ist es eine Goldgrube. Hoffen wir mal, dass ein honoriger Mann den Gasthof übernimmt. Einer, der das Gesindel nicht gerade so anzieht, wie der Küppken es getan hat.«
    »Ja, das wäre zu wünschen. Gesindel haben wir genug in Sterkrade.«
    Overberg kamen die Kartoffeldiebe in den Sinn. »Gibt es schon was Neues in Sachen Felddiebstahl?«, fragte er.
    »Jeder weiß inzwischen, was man den Brandts angetan hat«, antwortete Grottkamp. »Die Menschen sind darüber erbost. Wenn die Täter in Sterkrade wohnen, dann werden sie es schwer haben, die gestohlenen Kartoffeln vor ihren Nachbarn zu verbergen. Aber bisher gibt es noch keine Hinweise.«
    Mehr als eine halbe Stunde saß Grottkamp jetzt schon auf dem Stuhl am Rande des Teppichs. Er spürte, dass sein Rücken allmählich steif wurde. Sein Vorgesetzter lehnte sich im Sessel zurück und schlug die Beine übereinander. Er hatte die Absicht, an diesem Montagmorgen noch die eine oder andere wichtige Angelegenheit mit dem Polizeidiener zu besprechen.
    Die rückläufige Zahl der Cholerakranken nahm er zum Anlass, Möllenbecks und Grottkamps Einsatz zu loben und noch einmal ausführlich seine

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