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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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trinken.«
    »Soll ich Ihnen also zwei Tassen Kaffee bringen?«, fragte Maria.
    »Ihr röstet zwar guten Kaffee, ihr Deutschen«, stelle Banfield fest, »aber wenn ich zu viel von dem Zeug trinke, dann zwickt mir der Magen. Und meine Tasse ist noch beinahe zur Hälfte voll.«
    »Also eine Tasse Kaffee«, sagte Grottkamp zu Maria, und das Mädchen eilte in die Küche.
    »Was verschafft mir denn die Ehre, Herr Polizeidiener?«, fragte Banfield, und Grottkamp entdeckte in der Stimme des jungen Engländers wieder diese Spur von Überheblichkeit, die ihn schon bei ihrer ersten Begegnung verärgert hatte.
    »Ich muss Sie ersuchen, Sterkrade zu verlassen«, sagte er kühl. »Es besteht der Verdacht, dass Sie die Arbeiterschaft der Gutehoffnungshütte zu aufrührerischen oder gar umstürzlerischen Aktivitäten anstiften wollen. Wenn ich Sie übermorgen noch hier antreffe, muss ich Sie in Haft nehmen und den Justizbehörden übergeben.«
    Banfield reagierte erheitert auf die Vorhaltungen. »Da habe ich wohl ein bisschen zu viel geplaudert in den letzten Wochen«, meinte er. »Dabei wollte ich doch eigentlich nur zuhören, was die Arbeiter hier zu erzählen haben.«
    »Sie haben kommunistisches Gedankengut verbreitet«, stellte Grottkamp fest.
    »Die Männer haben mir erzählt, wie sie ihre Lage einschätzen. Und hin und wieder hab ich dann eben auch gesagt, wie ich die Situation der Industriearbeiter beurteile. Das war alles«, entgegnete Edward Banfield.
    »Zu revolutionären Umtrieben haben Sie die Männer animiert«, hielt Grottkamp dem Engländer vor.
    »Nein, das habe ich mit Sicherheit nicht«, sagte Banfield bestimmt. »Es wäre töricht, die Revolution voranzutreiben, solange die Masse der Arbeiterschaft noch kein Klassenbewusstsein hat. Das ist meine Meinung.«
    Grottkamp strich durch seinen struppigen Bart. Da konnte er dem Engländer nicht widersprechen. Dass es gegenwärtig unsinnig sei, eine Revolution anzuzetteln, das hatte er gestern Abend in der Tat zu Kerseboom gesagt.
    »Aber seien Sie unbesorgt, Herr Offiziant. Ich habe ohnehin die Absicht, morgen abzureisen. Am Wochenende werde ich in London zurückerwartet. Dann war ich vier Wochen unterwegs. Und ich werde mindestens ebenso lange brauchen, all das niederzuschreiben, was ich in dieser Zeit hier erfahren und erlebt habe.«
    Maria Schneider stellte eine Tasse Kaffe vor Grottkamp auf den Tisch. Als sie wieder gegangen war, sagte er kopfschüttelnd: »Ich glaube Ihnen nicht, Herr Banfield.«
    »Was glauben Sie nicht?«
    »Dass Sie ein Journalist sind.«
    »Ach«, sagte Banfield erstaunt. »Und weshalb nicht?«
    »Journalisten, die nach Sterkrade kommen, werden im Komptoir der Hüttengewerkschaft vorstellig. Das müssen sie einfach, wenn sie etwas über die beeindruckende Entwicklung des Unternehmens erfahren oder das Werk besichtigen wollen.«
    »Das mag wohl sein«, gab Edward Banfield zu. »Aber was die Herren Direktoren und ihre Ingenieure den Journalisten erzählen, das interessiert mich nicht im Geringsten.«
    Banfield schlug das Buch zu, in dem er gelesen hatte, und schob es zu Grottkamp hinüber. Der sah sich den Titel an. »Das ist englisch, nehme ich an.«
    Banfield nickte. »Industry of the Rhine«, sagte er.
    Grottkamp glaubte zu verstehen. »Die Industrie am Rhein«, wiederholte er auf Deutsch.
    »Genau so lautet der Titel. Und den Namen des Autors, den sehen Sie auch auf dem Buchdeckel.«
    »Thomas C. Banfield«, las Grottkamp erstaunt. »Sie haben also schon ein Buch geschrieben?«
    »Ich heiße Edward. Thomas ist mein Onkel. Er hat vor über zwanzig Jahren die Rheinprovinz bereist. Und mein Onkel Thomas hat es genau so gemacht, wie Sie sich das vorstellen. Na gut, er hat sich auch hier umgeschaut, aber vor allem hat er sich von den Hüttenherren und Fabrikbesitzern zeigen und erzählen lassen, was im Rheinland vor sich ging. Dabei herausgekommen ist ein zweibändiges Werk, das unter dem Titel »Industry of the Rhine« 1846 und 1848 in London erschienen ist. Dieses Buch hat das Bild geprägt, das die Engländer von der preußischen Rheinprovinz haben. Jeder, der im Königreich England etwas über dieses neue Industrieland an Rhein und Ruhr wissen wollte, hat Thomas C. Banfield gelesen.«
    Edward Banfield nahm das Buch in die Hand und begann darin zu blättern. »Was mein Onkel damals geschrieben hat, mag alles nicht verkehrt sein. Und dennoch zeigt das Bild, das er hier zeichnet, dieses Land nicht so, wie es wirklich ist.«
    Der junge Engländer

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