Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
Vom Netzwerk:
er ihm jede Menge Ärger machen. Irgendeine polizeiliche Vorschrift oder eine Passage in der Marktordnung, gegen die der Händler verstoßen hatte, ohne es zu wissen, fand so ein Ordnungshüter immer.
    Erleichtert beobachtete der Hiesfelder, wie Grottkamp hinter dem voll beladenen Leiterwagen eines Weseler Kappesbauern verschwand und kurz darauf am anderen Ende des Wochenmarktes vor den ausgelegten Waren einiger Arbeiterfrauen stehen blieb.
    »Kann ich was für Sie tun, Herr Polizeisergeant?«, fragte eine der Frauen, die neben einem Korb voller Birnen saß.
    »Danke, danke«, murmelte Grottkamp gedankenverloren und ging weiter, vorbei an Handkarren und Leiterwagen und an Käfigen mit Kleinvieh. Zum zweiten oder dritten Mal an diesem Morgen blieb er vor dem Stand des Mülheimer Tuchhändlers stehen, schlenderte weiter zwischen Fässern, Kiepen und Kisten umher, hörte die Markthändler schreien und sah die Frauen ihre Einkaufskörbe füllen.
    Mit seinen Gedanken war er weit entfernt vom Markttreiben. Er begleitete noch einmal Martha Terfurth auf ihrem Heimweg, hörte sie über Donatus Jentjen reden, über ihren Vater und über den Wunsch der Mutter, ihn, Martin Grottkamp, hin und wieder zu sehen. Er schüttelte energisch den Kopf und bemerkte nicht, dass einige Frauen, die zwischen zwei Marktständen schwatzend beieinanderstanden, ihn verwundert ansahen.
    Er dachte an den hasserfüllten Gussputzer Carl Tiefenbach und an die zerbrechliche Schankmagd Margarete Sander. Die Geschichte, die sie in der dunklen Mägdekammer des Gasthauses »Zum dicken Klumpen« erzählt hatte, ging noch einmal durch seinen Kopf.
    Und dann sah er Edward Banfield trinkend und fröhlich lachend vor der Kellertür in der Marktschänke sitzen. »Ein Kommunist!«, hatte Overberg entsetzt festgestellt. Außer sich geraten war er, der Herr Gemeindevorsteher, als Grottkamp ihm während der morgendlichen Dienstbesprechung von seinem Versteckspiel und vom Gespräch zwischen Banfield und Arnold Kerseboom berichtet hatte.
    »Ein ausgezeichneter polizeilicher Schachzug«, hatte Overberg zunächst seinen Sergeanten gelobt. Dann hatte Grottkamp vom Klassenkampf und von der Revolution erzählt, von Carl Marx und der Internationalen Arbeiter Association, von der Diktatur des Proletariats und der klassenlosen Gesellschaft. Der Gemeindevorsteher war immer blasser geworden und immer aufgeregter in seinem Bureau auf und ab gegangen.
    Als hätte er gerade erfahren, dass nach der Cholera jetzt auch die Pest seine Gemeinde bedrohe, hatte Overberg sich gebärdet. »So einer ist eine Gefahr für die öffentliche Ordnung«, hatte er gewettert. »Wenn wir solche Subjekte gewähren lassen, dann bedroht diese Internationale der Arbeiter eines Tages ganz Europa.« Da Edward Banfield nicht im Auftrag der englischen Industrie sein Unwesen treibe, sondern im Auftrag des internationalen Kommunismus, sei er noch weitaus gefährlicher als bisher angenommen.
    Nun gehe es nicht mehr allein um die Hütte. Es gehe um das Wohl der Gemeinde Sterkrade und des ganzen Kreises Duisburg, hatte Overberg verkündet. Womöglich stehe gar die Zukunft des Königreiches Preußen auf dem Spiel, und das bedeute letztlich nicht weniger, als dass die gottgewollte Weltordnung bedroht sei.
    »Der Mann muss verschwinden, Grottkamp! Ohne Wenn und Aber. Was er gestern Abend von sich gegeben hat, das ist nach preußischem Recht Aufwiegelei, wenn es nicht sogar den Tatbestand des Hochverrates erfüllt. Machen Sie das diesem Subjekt klar! Morgen, spätestens übermorgen hat er Sterkrade zu verlassen. Sonst werden wir ihn der Justiz übergeben.«
    »Jawohl, Herr Vorsteher«, hatte Grottkamp erwidert, obwohl es ihm gegen den Strich ging, den Engländer abreisen zu lassen. Ein paar Ungereimtheiten gab es da immer noch, und Grottkamp hatte nicht die Absicht, den jungen Mann zurückzuschicken nach England, solange er sich nicht ganz sicher war, dass Banfield mit dem Fall Terfurth nicht das Geringste zu tun hatte. Dabei wusste er nicht einmal mehr, ob es überhaupt noch einen Fall Terfurth gab.
    Seitdem Theodor Verstegen seine Geschichte von dem beiseite geräumten Stein erzählt hatte, war nicht mehr auszuschließen, dass der betrunkene Hammerschmied zu Tode gestürzt war, ohne dass irgendjemand dabei seine Hand im Spiel gehabt hatte. Auch für die Tabakspfeife, die an der Unglücksstelle gelegen hatte, gab es seit gestern Abend eine Erklärung. Grete Sander gab an, sie verloren zu haben, als sie sich über den

Weitere Kostenlose Bücher