Tod an der Ruhr
sind?«
»Das kann man so nicht sagen, Herr Grottkamp. Aber diese Ecke vom Rheinland, hier unsere Gegend am Niederrhein, die gehörte früher mal den Herzögen von Kleve. Und als die keine Nachkommen mehr bekamen, da hat irgendwann ein Brandenburger das Herzogtum geerbt. So sind wir eben brandenburgisch geworden und später preußisch.«
»Sechzehnhundertvierzehn«, sagte Grottkamp und hoffte, Grete noch einmal beeindrucken zu können.
»Was meinen Sie, Herr Sergeant?«
»Seit 1614 gehört das Herzogtum Kleve zu Brandenburg. Und 1701 ist aus dem Kurfürstentum Brandenburg das Königreich Preußen geworden.« Margarete Sander war beeindruckt.
NEUN
»Martin Grottkamp, du bist ja verrückt!« Arnold Kersebooms Erregung war unüberhörbar. »Wie kannst du so was machen? Und wenn dieser Hüne mit dem Messer auf dich losgegangen wäre? Mensch, Martin, so ein Leichtsinn!«
»Lass mal gut sein, Arnold! So gefährlich war’s nun auch wieder nicht. Eine Uniform schüchtert einen rechten preußischen Untertanen schon ganz gewaltig ein. Da weiß er doch, dass er schnell im Kittchen landet, wenn er nicht pariert.«
»Und wenn’s kein rechter preußischer Untertan ist, den du vor dir hast? Nein, nein, Martin, jetzt machst du dir was vor. Ein Mann, der einem anderen ein Messer an die Kehle hält, der ist doch nicht mehr bei Sinnen. Nein, so einem entgegenzutreten, wenn man selbst unbewaffnet ist, das ist lebensgefährlich.«
»Meinst du, es wäre besser gewesen, mit dem Knüppel in der Hand auf diesen tobenden Riesen zuzugehen? Dann wird so einer doch erst recht wütend.«
»Natürlich nützt ein Knüppel da überhaupt nichts. Höchstens eine Schusswaffe.«
»Polizeioffizianten tragen im Königreich Preußen keine Schusswaffen. Das solltest du eigentlich wissen.«
»Wieso? Den Schmitting habe ich schon öfter mit einem Gewehr gesehen.«
»Mensch, Arnold Kerseboom, wie oft muss ich euch das noch erklären? Der Schmitting ist ein preußischer Gendarm, und ich bin Polizeidiener der Bürgermeisterei Holten. Meine einzige Bewaffnung ist der Polizeiknüppel. Und den lasse ich schon seit Jahren lieber zu Hause. Mit dem Knüppel in der Hand bringt man die Leute nur gegen sich auf. Nein, nein, meine Waffe ist meine Autorität. Und dass die wirksam ist, das hat sich ja vorhin im Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ mal wieder gezeigt.«
Grottkamp hatte nach dem sauren Bier des Klumpenwirtes das starke Verlangen nach dem edlen Gebräu von Kaspar Ostrogge verspürt und war schnurstracks vom Gasthaus in der Bahnhofstraße zum Wirtshaus am Markt marschiert. Dort hatte er sich zu seinem Freund Arnold Kerseboom gesetzt und ihm erzählt, was er erlebt hatte.
Auf sein Bier wartete er allerdings noch immer, denn Kaspar Ostrogge war gerade dabei, ein neues Fass anzuschlagen. Endlich kam der Schänkenwirt und Braumeister mit drei Krügen an den Tisch seiner beiden Schulfreunde, um zusammen mit ihnen das Pils aus dem frisch angezapften Fass zu kosten.
»Und wie schmeckt es euch?«, wollte er nach ein paar kräftigen Schlucken wissen.
»Himmlisch«, schwärmte Martin Grottkamp, und Arnold Kerseboom nickte beifällig, während er den Schaum von seinen Lippen leckte.
»Hat jetzt neun Wochen gelagert. Das ist genau die richtige Zeit für ein gutes Pils«, dozierte Ostrogge. »Nach sechs bis sieben Wochen hat sich die Hefe komplett abgesetzt, und das Bier hat seine optimale Anreicherung mit Kohlensäure erreicht. Ein oder zwei weitere Wochen zur Nachgärung tun dem Geschmack ganz gut. Dann verträgt es vielleicht noch mal drei, ohne an Güte zu verlieren. Danach kannst du es vergessen.«
»Also sollte man Kaspar Ostrogges Pils nur zwischen der siebten und der zwölften Lagerwoche trinken«, meinte Kerseboom grinsend.
»Sonst wirst du es auch nicht bekommen. Bei mir jedenfalls nicht«, sagte Ostrogge ernst. »Was meinst du, warum ich zehnmal im Jahr braue, im Gegensatz zu manch anderem, der es mit fünf oder sechs Braugängen gut sein lässt.«
In Kaspar Ostrogges Braustube, im hinteren Teil des Wirtshauses, stand eine Braupfanne für 780 Berliner Quart. Wenn er und sein Brauknecht zehnmal im Jahr brauten, kamen also 7800 Quart zusammen. Viel Bier, auch für eine gut gehende Gastwirtschaft, wie es die Marktschänke war.
Aber beim Ostrogge lief es halt. Nicht nur des Abends, wie beim Klumpenwirt.
Am meisten zu tun hatte Kaspar Ostrogge an den Markttagen, an denen schon vormittags das eine oder andere Geschäft in seiner Gaststube
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