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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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Herren es nicht so genau, denn viel zu befürchten hatten sie nicht. Einen Ordnungshüter gab es damals noch nicht in Sterkrade, und der zuständige Holtener Polizeidiener ließ sich spät am Abend nur selten im Hüttendorf blicken. In einer Sommernacht des Jahres 1839, kurz nach der Fronleichnamskirmes, tat er es dann doch und erwischte die Herren in Kremers Gaststube beim fröhlichen Zechen, obwohl die Polizeistunde längst vorüber war.
    Die ertappten Herrschaften zahlten die fällige Strafe. Anstatt sich aber reumütig zu zeigen, sannen sie darüber nach, wie sie künftig ungestraft miteinander bechern konnten, solange sie wollten. Die Lösung war eine geschlossene Gesellschaft, denn für die galt die Polizeistunde nicht. So schlug am 12. Juli 1839 die Geburtsstunde der Gesellschaft Erholung. Über die Gründung wurde umgehend der Holtener Bürgermeister informiert, und der instruierte seinen Polizeidiener, die Herren im Kremer’schen Etablissement am Sterkrader Markt künftig in Ruhe zu lassen.
    »Warum sind die Herrschaften eigentlich umgezogen?«, fragte Grottkamp.
    »Mensch, der Sprüth hat doch eigens ein Kasino für die Gesellschaft Erholung an seine Wirtschaft anbauen lassen«, antwortete Kerseboom.
    »Das weiß ich«, entgegnete Grottkamp. »Aber warum sind die überhaupt weg vom Kremer?«
    »Na, weil’s denen in der kleinen Stube der Geschwister Kremer zu eng geworden ist«, wusste Ostrogge. »In Sterkrade wird einfach alles zu eng. Wir brauchen eine neue Kirche und eine neue Schule, und wenn so weiter gestorben wird wie zurzeit, dann brauchen wir bald schon wieder einen neuen Friedhof.«
    »Eine Krankenanstalt könnten wir brauchen, ein richtiges Hospital, das wäre am wichtigsten«, warf Arnold Kerseboom ein.
    »Kann schon sein«, sagte Grottkamp. »Wenn wir ein Krankenhaus hätten, würde sich vielleicht der Friedhof nicht so schnell füllen.«
    »Wie auch immer«, sagte Kaspar Ostrogge. »Unter den vielen Menschen, die in den letzten Jahren hierher gezogen sind, waren natürlich auch hohe Hüttenbeamte, Ingenieure und solche Leute. Und deshalb ist die Mitgliederzahl der Gesellschaft Erholung ständig gewachsen. Im Sommer, das habt ihr ja gesehen, haben die Herrschaften manchmal Tische und Stühle vor die Tür geschleppt und sich auf den Marktplatz gesetzt, weil’s drinnen bei den Geschwistern Kremer einfach zu voll war. Aber das geht jetzt natürlich nicht mehr, wo der Herbst vor der Tür steht.«
    »Bei dem lauen Lüftchen, das im Moment weht, ginge es schon«, meinte Kerseboom.
    »Da hast du recht. Ein Wetter wie im Frühling ist das«, stellte Grottkamp kopfschüttelnd fest. »Und dabei hat es an Ägidius geregnet. Und heute habe ich eine Spinne gesehen, die ihr Netz zerrissen hat.«
    Als die drei Männer eine Weile über das Septemberwetter diskutiert hatten, stand Kaspar Ostrogge auf, um seiner Tochter Katharina beim Bedienen der Gäste behilflich zu sein. Grottkamp erzählte Kerseboom, was er auf dem Friedhof von Donatus Jentjen über Terfurth erfahren hatte.
    »So ist das nun mal bei uns auf der Hütte«, sagte der Former achselzuckend. »Wenn einer nicht spurt in einer Gruppe, dann leiden alle Männer darunter. Ich hab seit ein paar Wochen einen Kerl in meiner Kolonne, der sich immer verdrückt, wenn wir große Formen zu gießen haben. Die anderen schleppen dann die schweren Scherenpfannen mit dem flüssigen Eisen vom Kupolofen ran – eine verdammt heiße und gefährliche Angelegenheit – und der Bursche ist mal gerade um die Ecke. Ich kann ja verstehen, dass die brodelnde Eisenbrühe einem Menschen Angst macht. Aber selbst wenn ich wollte, könnte ich den Kerl nicht mehr lange halten. Die anderen Männer machen das einfach nicht mehr mit.«
    »Der Terfurth hat die Leute schon davongejagt, wenn sie nur ein einziges Mal Mist gemacht haben.«
    »Solche Vorarbeiter soll es geben.«
    »Und was bedeutet das für einen Mann, wenn er zum Beispiel aus einer Schmiedekolonne in die Gussputzerei abgeschoben wird?«, wollte Grottkamp wissen.
    Kerseboom verzog das Gesicht, als bereite der Gedanke ihm Schmerzen. »Also, zunächst mal ist die Arbeit der Putzer eine erbärmliche Maloche«, erklärte er. »Wenn wir in der Gießerei unsere gegossenen Stücke aus den Formen nehmen, dann haftet daran so eine Art Kruste aus Formsand und Schlacke. Es sind Eingüsse entstanden, überstehende Zapfen und scharfe Grate. Das alles muss in der Gussputzerei runtergeklopft werden. Während der ganzen Schicht siehst

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