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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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du die armen Kerle da nur hämmern und feilen. Wie hart das ist, wie schmutzig und laut, das kann man sich kaum vorstellen, wenn man’s noch nicht gesehen hat. Hinzu kommt, dass diese Drecksarbeit auch noch mies bezahlt wird. Eine Familie kriegst du mit dem Lohn eines Gussputzers kaum satt.
    Wenn ich zulassen sollte, dass ein Mann aus meiner Kolonne dahin käme, dann müsste der schon einiges auf dem Kerbholz haben. Das ist ein ganz erbärmlicher Abstieg.«
    »Wenn ein Vorarbeiter mir so was angetan hätte, vielleicht sogar ohne triftigen Grund, dann würde ich ihn vermutlich hassen«, überlegte Martin Grottkamp.
    »Der Terfurth wird schon seine Gründe gehabt haben. Das glaub mir mal! Dieser Kerl scheint jedenfalls sehr unzuverlässig zu sein.«
    »Wer? Der Mann, der aus der Hammerschmiede in die Gussputzerei geschickt worden ist? Kennst du den etwa?«
    »Nein, das nicht gerade, aber seinen Vorarbeiter kenne ich. Und der hat mir heute erzählt, dass der Neue, der vom Terfurth gekommen ist, jetzt schon zwei Tage nicht mehr bei der Arbeit war. Natürlich ohne sich zu entschuldigen.«
    Nachdenklich trank Grottkamp sein Bier aus.
    Nach einer Weile sagte Kerseboom: »Ich habe übrigens noch was Interessantes über den Terfurth erfahren. Gestern Abend. Da war ich für ein Stündchen beim Klumpenwirt, und da hab ich gehört, wie zwei Kerle, die ihn anscheinend ganz gut kannten, sich über seine Weibergeschichten unterhalten haben. Er ist wohl ein recht geiler Bock gewesen, der Julius Terfurth.«
    »Solche Gerüchte hab ich auch schon gehört«, knurrte Grottkamp.
    »Mit der Schankmagd, dieser Grete, soll er es getrieben haben«, fügte Arnold Kerseboom hinzu.
    »Das glaube ich nicht«, sagte Martin Grottkamp.

    So recht heimisch fühlte Dechant Anton Witte sich noch nicht im Saal Sprüth, dem neuen Domizil der Gesellschaft Erholung. Irgendwie hatte er sich im Laufe der Jahre an die gemütliche Enge bei den Geschwistern Kremer gewöhnt.
    Doch das neue Kasino, dem Kirchplatz schräg gegenüber gelegen, hatte natürlich seine Vorzüge. Es war größer, heller, sauberer und zweckmäßig möbliert mit zwanglos im Saal verteilten Tischen, an denen kleine Grüppchen ungestört sitzen und debattieren oder auch Karten spielen konnten. Es gab zwei Sofas, eine Leseecke mit bequemen Armlehnstühlen und dem Kanapee, auf dem Anton Witte sich niedergelassen hatte. Zerstreut blätterte er in der neuesten Ausgabe des »Kladderadatsch«.
    In der Nähe der Leseecke stand ein Schachtischchen, an dem sich gerade zwei Ingenieure der Gutehoffnungshütte gegenübersaßen und mit ihren langstieligen Tabakspfeifen dicke Qualmwolken erzeugten.
    Rund zwanzig Herren, alle in dunklen Anzügen, aus denen steife, weiße Hemdkragen herausragten, bevölkerten an diesem Mittwochabend das neue Kasino. Das Ehrenmitglied der Gesellschaft Erholung, Dechant Anton Witte, kannte sie alle. Über die Aufnahme der meisten von ihnen hatte er selbst mit abgestimmt. Nur wer von einem Herrn, der dem Klub schon angehörte, vorgeschlagen und von drei Vierteln der Mitglieder bestätigt wurde, gehörte fortan zum erlesenen Kreis der Erholung.
    Auf drei Fauteuils, die rings um ein rundes Salontischchen standen, saßen die drei Männer beieinander, die Dechant Witte nicht nur für die bedeutendsten Mitglieder der Gesellschaft Erholung hielt, sondern für die wichtigsten Männer, die er persönlich zu kennen die Ehre hatte. Zumindest, wenn man es einmal vom weltlichen Standpunkt aus betrachtete.
    Der Herr mit dem dünnen Haar, der älteste der drei, war Louis Haniel, neunundvierzig Jahre alt, einer der fünf Söhne des großen Industriepioniers Franz Haniel. Der verbrachte seine alten Tage im Stammsitz der Familie in Ruhrort, wo er vor siebenundachtzig Jahren auch geboren worden war. Dort hielt er noch immer die Fäden des Familienimperiums in den Händen, wenn auch seine Söhne inzwischen die weit verzweigten Geschäfte führten.
    Louis Haniel leitete seit dem Tode von Wilhelm Lueg die Huttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen, und die Mitglieder der Gesellschaft Erholung waren stolz darauf, dass der Herr Generaldirektor ihr Vorsitzender war.
    Die zwei Männer, mit denen er gerade die Köpfe zusammensteckte, waren schon leitende Oberingenieure, obwohl sie noch jung an Jahren waren. Beide hatten an der Hochschule im fernen Karlsruhe studiert, und beide trugen große Namen. Gerade mal einunddreißig Jahre alt war Hugo Jacobi, ein Enkel des Firmengründers Gottlob Jacobi.

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