Tod an der Ruhr
Polizeidiener Martin Grottkamp, hatte sich gewünscht, dieser Landstreicherin, dieser Lohnhure zu gefallen. Wie konnte ein Mann sich nur so vergessen? Das war würdelos.
Irgendwann sagte Margarete leise: »Ich habe mir schon gedacht, dass Sie es erfahren würden.«
»Ach so«, entgegnete Grottkamp höhnisch. »Deshalb hast du es mir nicht gesagt, weil du gewusst hast, dass es mir schon irgendjemand erzählen würde.«
»Es ist ja auch schon eine Weile her, das mit dem Julius Terfurth«, versuchte Margarete sich zu entschuldigen.
»Was heißt das denn jetzt?«
»Nun ja, das, wovon die Leute erzählen, das war im Frühjahr und zu Beginn des Sommers. Ende Juni bin ich ja dann weg. Und zurückgekommen bin ich erst fünf oder sechs Tage vor Terfurths Tod. Und da hab ich ihn nicht mehr mitgenommen in meine Kammer.«
»Trotzdem hättest du es mir sagen müssen«, entgegnete Grottkamp zornig.
»Ich weiß. Ich hätte es nicht für mich behalten dürfen, jetzt, wo der Terfurth tot ist.«
Grottkamp nickte heftig. »So muss ich annehmen, dass du es mir verschwiegen hast, weil du was mit seinem Tod zu tun hast.«
»Aber Herr Sergeant, das ist doch nicht wahr. Ich hatte nur Angst davor, dass Sie mich für eine Hure halten würden.«
»Bist du das etwa nicht, Grete Sander!«, sagte Martin Grottkamp angewidert. »In Köln haben sie dich wegen Lohnhurerei verurteilt, und jetzt treibst du wieder Unzucht mit einem verheirateten Mann. Was meinst du denn, wie die Richter in Duisburg das sehen würden?«
»Sie wollen mich nach Duisburg bringen?«, fragte Margarete entsetzt.
»Hast du Geld von Terfurth bekommen?«
»Nein!« Margarete Sander schüttelte so heftig den Kopf, dass der Knoten ihres Haares sich löste. »Ich hab ihn gern gehabt, den Julius Terfurth.«
Grottkamp lachte hämisch. »Ein zwanzigjähriges Mädchen hat einen versoffenen fünfundvierzigjährigen Kerl so gern, dass sie mit ihm ins Bett geht? Mach mir nichts vor, Grete Sander! Wenn Terfurth dir dafür die Ehe versprochen hätte, ja, dann könnt ich dir glauben. Für die Hausfrau eines gut verdienenden Hammerschmieds ist das Leben wohl angenehmer als für eine Schankmagd. Aber der Terfurth war schon verheiratet.«
Das lange, schwarze Haar war auf Margaretes Schultern hinabgeglitten. Als sie ihren Kopf wieder auf die Knie legte, umfing es sie wie ein dunkler Vorhang. »Ich habe ihn gemocht, den Julius Terfurth, weil er eine verlorene Seele war«, sagte sie leise. »Diese Welt war ihm genauso fremd wie mir.«
Martin Grottkamp rupfte ein Büschel Gras aus der Wiese und ließ die Halme einzeln zwischen seinen Beinen zur Erde fallen.
»Und in Köln? Die Männer, mit denen du es da getrieben hast, die waren wohl auch alle verlorene Seelen?«
»Nein, Herr Grottkamp. Da gab es einen, der gut zu mir war. Der hat mir gesagt, ich wär ihm mehr wert als alles andere auf der Welt. Es war mir gleich, dass er ein Tunichtgut war und ein Habenichts. Wissen Sie, was das für eine wie mich bedeutet, wenn sie auf einmal etwas wert ist? Wenn sie das Gefühl haben darf, für einen anderen Menschen das Wichtigste auf der Welt zu sein? Nein, das werden Sie nicht wissen, Herr Polizeisergeant.
Und dann war da noch einer, ein Inspektor von der Post. Der hat mir versprochen, mich zu seiner Frau zu machen. Wie finden Sie das, Herr Grottkamp? Margarete Sander als Frau Inspektor? Aber er hatte schon eine Frau und sieben Kinder. Als ich es herausfand und ihm Vorhaltungen machte, da hat er mich der Hurerei bezichtigt. Er hat behauptet, ich hätte ihn nur für Geld mit in mein Bett genommen. So wird man eine wie mich ganz einfach los. Die Herren vom Gericht, die glauben natürlich einem königlichen Postinspektor jedes Wort. Eine Landstreicherin war ich für die Richter ja sowieso schon. Und dass so eine für die Groschen, die sie zum Leben braucht, die Beine auseinandermacht, das passt so recht in das Bild, das diese hohen Herren von der Welt haben.«
»Red nicht so unanständig daher, Grete Sander!«, sagte Grottkamp ärgerlich.
Margarete stand auf. Erst jetzt bemerkte Grottkamp, dass ihre Füße, die der lange Rock bisher verborgen hatte, nackt waren. Sie stemmte die Hände in die Hüften und sah auf den Polizeidiener herab. »So?«, sagte sie herausfordernd. »Ich rede also unanständig daher? Dabei waren das gar nicht meine Worte. Nein, mit diesen Worten haben die hohen Herren des königlichen Gerichts mich ins Gefängnis werfen lassen.«
»Komm, setz dich wieder!«, sagte
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