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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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verstanden«, fügte Pfarrer Kreutzberg fröhlich hinzu.
    Dechant Witte verdrehte die Augen. »Jetzt versucht dieser Mensch wahrhaftig schon wieder, mich in eine komplizierte theologische Debatte zu verwickeln«, seufzte er.
    Kreutzberg lachte dröhnend. »Keine Sorge, Herr Kollege, keine Sorge! Hier werden heute Abend schon genug schwierige Probleme erörtert«, beruhigte er seinen Amtsbruder.
    »Die drei da drüben«, er deutete auf den Tisch, an dem Haniel, Lueg und Jacobi saßen, »die denken recht angestrengt darüber nach, wie die Gesellschaft Erholung einen Billardtisch finanzieren könnte. Die meisten Mitglieder meinen, dass so ein Billard in unser neues Kasino gehört, aber der Sprüth weigert sich, eins anzuschaffen. Vermutlich werden jetzt einige gut betuchte Herren die dreihundert Taler auslegen.«

ZEHN

    Margarete Sander hatte sich inmitten der Wiesen hinter dem Anwesen des Gastwirtes Sprüth ins trockene Gras gesetzt, ihre Beine mit beiden Armen umschlungen und ihren Kopf auf die Knie gelegt.
    Mit weit geöffneten Augen starrte sie in das unablässig dahinplätschernde Wasser des Mühlenbachs. Ein paar Blätter der Rosskastanie, die am Ufer gegenüber stand, konnten dem sanften Septemberwind nicht widerstehen.
    Die Wärme der beiden vergangenen Tage war trügerisch. Der Sommer ging zu Ende. Die Blätter taumelten entkräftet zur Erde. Eines landete in der Mitte des Bachbettes.
    Margarete träumte sich mit dem davontreibenden Kastanienblatt in die Ferne. Als es ihren Blicken entglitten war, schloss sie die Augen, lauschte dem Murmeln des Wassers im Bachbett und dem Rascheln des Windes in den Bäumen. Doch ihre Träume fanden kein Ziel mehr. Nichts war mehr so wie damals, als sie noch geglaubt hatte, die Welt stünde ihr offen und das Leben warte auf sie. Sie war für die Behörden des Königreiches Preußen eine Landstreicherin und eine Lohnhure, und für so eine standen nur noch die Türen der Gefängnisse und der Arbeitshäuser offen.
    »Grete Sander?« Die Stimme, die sich durch das Rauschen des Wassers und des Windes an ihr Ohr drängte, gehörte Martin Grottkamp. Sie klang anders als am Vorabend im Gasthaus »Zum dicken Klumpen«, als Margarete sich von ihr umschmeichelt gefühlt hatte. Das, was sie jetzt hörte, war die Stimme des Polizeidieners Grottkamp, der ihre Entlassungspapiere aus dem Arbeitshaus überprüft und sie ermahnt hatte, auf den Pfad eines tugendhaften Lebens zurückzukehren.
    Sie öffnete die Augen und hob den Kopf. Grottkamp stand unter dem Kastanienbaum auf der anderen Bachseite. Als sie ihn ansah, nickte er und sagte: »Hab ich mich also nicht getäuscht.«
    Er sprang über den Mühlenbach, kraftvoll, wie Margarete es erwartet hatte.
    »Gut, dass ich dich treffe«, sagte er, als er neben ihr stand. »Hast du Zeit, mit mir zu reden?«
    »Ich muss gleich zurück ins Gasthaus«, antwortete sie.
    »Dann muss ich dich einbestellen.«
    »Eine Weile hab ich schon noch Zeit. Der Klumpenwirt hat mir für eine Stunde frei gegeben.«
    »Ein feiner Zug vom Küppken«, sagte Grottkamp und setzte sich neben Grete ins Gras.
    »Ach was!« Sie lachte. »Bis in die Nacht hinein war ich auf den Beinen. Und in aller Frühe habe ich schon wieder der Maria Schneider in den Gästekammern geholfen. Betten ausklopfen, Nachttöpfe leeren, fegen, Waschschüsseln ausputzen und frisches Wasser in die Kannen füllen. Das sind eigentlich die Aufgaben des Stubenmädchens, aber die Maria kann das gar nicht alleine schaffen, wenn alle Kammern belegt sind. Na, und jetzt hat der Küppken wohl gedacht, dass er mich besser mal in die Sonne schickt, bevor ich ihm gleich in der Küche oder im Schankraum schlappmache.«
    »So wird’s wohl sein«, meinte Grottkamp.
    »Worüber wollen Sie denn mit mir reden?«, fragte Margarete ihn.
    »Ich will nicht. Ich muss«, antwortete er und schaute ins Wasser. Erst als er sich die Worte zurechtgelegt hatte, fügte er hinzu: »Die Leute sagen, dass du mit Julius Terfurth dein Bett geteilt hast.«
    Margarete Sander schwieg.

    Der Wind hatte nachgelassen, und die Blätter hatten aufgehört zu rascheln. Als Martin Grottkamp nicht mal mehr das beständige Murmeln des Mühlenbachs hörte, sondern nur noch das heftige Atmen der jungen Frau an seiner Seite, wusste er, was sie gleich sagen würde, und er spürte heiße Wut in sich aufsteigen.
    Er war wütend auf sich, auf den Kerl, der dieser Weibsperson geschmeichelt hatte, der versucht hatte, sie zu beeindrucken. Ja, er, der

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