Tod an der Ruhr
gesehen wie dein Mann«, vermutete Grottkamp.
»Nein, natürlich nicht.« Elisabeth schüttelte energisch den Kopf. »Der Donatus ist ein guter Junge. Er ist tüchtig und wäre ein rechter Ehemann für die Martha. Vor allem aber fühle ich, wie sehr das Mädchen ihn liebt. Und ich weiß, wie es ist, wenn man den, den man lieb hat, nicht bekommen kann.«
Dabei hätte sie nur auf mich warten müssen, dachte Martin Grottkamp. Früher hatte ihn oft die Frage gequält, warum sein Liesken ihn so schnell aufgegeben hatte. Aber heute wollte er darüber nicht mehr sprechen. Seine Wunden waren verheilt, und es gab keinen Grund, sie wieder aufzureißen.
Elisabeth spürte, dass Martin nicht auf ihre Bemerkung eingehen wollte. »Die Martha und der Donatus mussten immer heimlich tun«, fuhr sie fort. »Ihre Liebe war von der Angst überschattet, dass Terfurth etwas merken könnte. Martha fürchtete sogar, er würde sie dann in den Haushalt seines Vetters nach Sonsbeck geben. Nicht mal die Jungen durften was mitbekommen, denn die hätten es vielleicht dem Vater erzählt. Also, um es frei heraus zu sagen: Ich habe den Kleinen zu mir geholt, damit die Martha endlich einmal allein war und der Donatus zu ihr konnte. So hatte ich’s mir jedenfalls gedacht. Ob sie tatsächlich zusammen waren in der Nacht, das weiß ich nicht einmal.«
So war das also! Die Hure ihres Kostgängers war die Frau des Hammerschmieds Julius Terfurth demnach nie gewesen. Aber immerhin gab sie zu, die Kupplerin ihrer Tochter zu sein.
»Ich weiß, was der Herr Polizeisergeant jetzt denkt«, sagte Elisabeth ungehalten. »Aber betrachte es doch mal wie ein Mensch, Martin Grottkamp! Mir ist bange um die Zukunft. Dass der Donatus und die Martha einander näherkommen und möglichst bald heiraten, ist meine einzige Hoffnung. Dabei denke ich auch an meine Söhne. Die haben am Montag nicht nur ihren Vater verloren, sondern vor allem ihren Ernährer. Wenn der Donatus als Schwiegersohn bei uns im Hause bliebe, dann ließe es sich weiterleben. Für die Jungen wäre gesorgt, bis sie selbst ihr täglich Brot verdienen können.«
Und für die Witwe Terfurth auch, dachte Martin Grottkamp.
»Und für mich natürlich auch«, sagte Elisabeth leise.
»Bekommst du denn kein Geld von der Unterstützungskasse?«, erkundigte Grottkamp sich.
»Darüber hat der Julius nie mit mir gesprochen. Wenn ich es nicht von den Nachbarsfrauen gehört hätte, dann wüsste ich gar nicht, dass es so was überhaupt gibt.«
»Die Unterstützungskasse der Gutehoffnungshütte gab’s doch schon, als wir Kinder waren. Anfang der dreißiger Jahre muss das gewesen sein, als sie gegründet wurde. Ich weiß noch, dass der Vater damals gesagt hat, so was müsste es für die Bauern auch mal geben, dass sie weiter ihr Geld bekommen, wenn sie krank sind und nicht mehr arbeiten können.«
»Ja, dass es eine Rente für die Invaliden gibt, das hab ich auch schon gehört«, sagte Elisabeth. »Aber der Julius ist tot. Und warum sollte die Hütte mir und den Kindern was zahlen? Wenn Terfurth bei der Arbeit verunglückt wäre, dann wäre das vielleicht was anderes. Aber so?«
»Von der Witwe Schlagedorn weiß ich, dass sie nach dem Tod ihres Mannes sechs Jahre lang Witwenunterstützung bekommen hat. Der alte Schlagedorn war im Komptoir der Hütte beschäftigt. An einem Arbeitsunfall gestorben ist der sicher nicht. Ich glaube, er hatte es auf der Lunge. Und was deine Jungen angeht, also für Waisen gibt es auf jeden Fall eine Unterstützung. Da bin ich mir sicher. Du solltest dich unbedingt erkundigen.«
»Ja, das sollte ich wohl tun.«
Eine Weile saßen die beiden einander schweigend gegenüber. Irgendwann begegneten sich ihre Blicke, und Elisabeth sagte: »Nun gut, Martin. Ich hab mit dir reden wollen, weil mir in der vergangenen Nacht plötzlich in den Sinn gekommen ist, dass du etwas Schreckliches von mir denken könntest. Du weißt jetzt, dass du dich geirrt hast. Das ist mir das Wichtigste. Ich will, dass wir uns in die Augen sehen können.«
Martin Grottkamp hielt ihrem Blick stand und nickte. »Ich hab es ja auch nicht glauben wollen«, sagte er. »Aber es gab keine andere Erklärung. Das von der Martha und dem Donatus konnte ich nicht wissen.«
»Nein, das konntest du nicht.«
»Eigentlich müssten die beiden doch sehr froh darüber sein, dass der Terfurth ihnen jetzt nicht mehr im Wege steht.«
»Was willst du denn damit sagen?«, fragte Elisabeth empört.
Grottkamp antwortete nicht.
»Jetzt
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