Tod an der Ruhr
nicht, worüber«, knurrte Grottkamp.
»Bitte!« Als Elisabeths trauriger Blick ihn traf, gab er sich achselzuckend geschlagen.
»Aber nicht hier«, sagte sie. »Lass uns in deinem Bureau miteinander sprechen!«
Sie gingen nebeneinander her, so wie sie es vor vielen Jahren oft getan hatten. Damals hatte es sie zueinandergezogen, hatte einer die Nähe des anderen gesucht. Heute hielten sie so viel Abstand voneinander, als seien sie zwei Fremde, die zufällig denselben Weg zu gehen hatten.
Schweigend legten sie die wenigen Schritte zum Haus der Witwe Schlagedorn in der Friedhofsgasse zurück. Grottkamp schloss die Seitentür auf. Sie führte direkt in seine Wohnstube, die zugleich das Bureau des Sterkrader Polizeidieners war.
Elisabeth setzte sich unaufgefordert auf einen der beiden Stühle am Tisch, öffnete die Schlinge ihres schwarzen Tuches und ließ es vom Kopf herab auf die Schultern gleiten.
Martin Grottkamp dachte an die Habseligkeiten des Hammerschmieds Julius Terfurth, die vor ein paar Tagen auf dem Tisch gelegen hatten, an dem jetzt die Witwe Terfurth saß. Und er dachte an die Fotografie in seiner Schublade.
Er legte seine Kappe auf das Büfett und knöpfte seinen Uniformrock auf.
»Ich würde dir gerne einen Kaffee aufbrühen, aber ich habe kein Feuer im Ofen«, entschuldigte er sich.
»Ich brauche nichts zu trinken«, entgegnete Elisabeth. »Danke.«
Grottkamp setzte sich ihr gegenüber.
»Du warst so plötzlich verschwunden«, sagte sie. »Am Dienstag, meine ich, als du bei mir im Haus warst. Nicht mal recht verabschiedet hast du dich. Dabei hatten wir vorher so gut miteinander geredet.«
»Ich hatte es eilig«, behauptete Grottkamp und versuchte Elisabeths Blick auszuweichen.
»Und gestern auf dem Friedhof wolltest du mich nicht sehen«, fuhr sie fort. »Als du hörtest, dass ich jeden Moment kommen könnte, bist du aufgesprungen, als hätte dich eine Hornisse gestochen.«
»So? Hat dir das dein Donatus erzählt?«
»Mein Donatus?« Elisabeth lachte laut auf. »Also daher weht tatsächlich der Wind. Ich hab’s mir schon so zusammengereimt. Aber glauben wollt ich es trotzdem nicht, dass du so was von mir denken könntest.«
Grottkamp betrachtete seine Finger, die nervös über die Tischplatte tänzelten.
»Sieh mich an, Martin!«, sagte Elisabeth Terfurth ruhig. »Wenn du von mir denkst, dass ich mit meinem Kostgänger Unzucht treibe, dann sag es mir ins Gesicht!«
»Was soll ich denn sonst denken, verdammt noch mal?« Martin Grottkamp fühlte sich so sehr in die Enge getrieben, dass er glaubte, um sich schlagen zu müssen. »Ich wünschte, die Tür zu deiner Schlafkammer wäre verschlossen gewesen. Dann wäre ich niemals auf die Idee gekommen, einen Blick hineinzuwerfen. Aber so hab ich’s nun mal gesehen, das Bett, das von zwei Menschen zerwühlt worden war.«
»So?« Elisabeth gelang es nur mit Mühe, ruhig zu bleiben. »Und da war für dich klar, dass ich es mit dem Donatus Jentjen teile, dass ich mich sündig in meinem Ehebett wälze, während mein toter Gatte unten in der Stube aufgebahrt liegt? Ist das so?«
Grottkamp schaute an Elisabeth Terfurth vorbei. »Ich habe keine andere Erklärung gefunden«, antwortete er unsicher.
Sie schwieg eine Weile. »Du machst mich traurig«, sagte sie dann. »Aber vielleicht hast du ja ein Recht dazu, schlecht von mir zu denken, nach dem, was ich dir damals angetan habe.«
»Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun«, entgegnete Martin Grottkamp bitter.
»Mein Sohn hat in der Nacht nach dem Tod vom Julius bei mir geschlafen«, erklärte Elisabeth. »Der Kleine, der sonst die Kammer mit der Martha teilt.«
»Du hast also doch Trost gebraucht? Das hatte ich nicht vermutet.«
»Das war auch nicht der Grund.«
»Das Kind hat also Trost gebraucht«, nahm Grottkamp an.
»Nein«, entgegnete Elisabeth Terfurth. Dann schwieg sie.
»Also gut, Martin«, begann sie nach einer ganzen Weile. »Ich will’s dir sagen, wie es ist, obwohl ich nicht weiß, ob du es verstehen wirst. Die Martha und der Donatus, die lieben einander. Schon reichlich ein Jahr ist das so. Aber sie mussten es immer verbergen. Terfurth wollte nicht, dass seine Älteste die Frau eines Hüttenarbeiters wird. In einen Bauernhof einheiraten sollte sie. ›Du gehst mal zurück nach Sonsbeck, da ist die Welt noch in Ordnung‹, hat er immer zu ihr gesagt. Wenn er das erfahren hätte von den beiden, dann hätte er den Donatus aus dem Haus gejagt.«
»Und du hast das nicht so
Weitere Kostenlose Bücher