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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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sollten lieber den Heildiener holen, als sie gestern Abend bei ihm oben war. Aber da ist er wütend geworden. Nur weil ich einen über den Durst getrunken habe, kommt mir der Quacksalber nicht ins Haus, hat er geschimpft. Wenn wir gegen seinen Willen den Möllenbeck holen würden, dann müssten wir ihn bezahlen, hat er der Grete angedroht.«
    »Das sieht ihm ähnlich, dem Geizkragen«, sagte Grottkamp leise. Er sah zu dem Tisch hinüber, an dem er zwei Abende zuvor mit dem Klumpenwirt gesessen hatte.
    Kopfschüttelnd erinnerte er sich daran, wie Küppken sich gewunden hatte, wie er so zerknirscht getan hatte, als schwebe das Fallbeil über ihm. Dabei hatte ihm nur eine läppische Polizeistrafe für die fehlenden Preiszettel in den Logiszimmern gedroht.
    Die Geldgier, die diesen Hubertus Küppken zu Lebzeiten umgetrieben hatte, war Grottkamp stets ein Dorn im Auge gewesen. Schon lange hatte er vermutet, dass es nicht nur die ehrlichen Geschäfte eines honorigen Mannes waren, die den Beutel des Klumpenwirts füllten. Jetzt, da Küppken tot war, schien es ihm gewiss, dass dieser Mann die Gesetze missachtet hatte, dass er betrogen und hintergangen hatte und dass die beiden Huren, die er an seine Gäste vermittelt hatte, nicht die einzigen Menschen waren, die er ausgenutzt hatte.
    Grottkamp nahm an, dass auch Margarete Sander Küppkens Opfer war, dass er sie mit Versprechungen oder mit Drohungen gefügig gemacht hatte. Zu gern hätte er den Wirt mit den Aussagen der beiden Huren konfrontiert, hätte er ihn der Kuppelei und der Beteiligung an gewerbsmäßiger Unzucht überführt und ihn höchstpersönlich zum königlichen Kreisgericht nach Duisburg geschleppt.
    Hubertus Küppken hatte ihm ein Schnippchen geschlagen. Der zwielichtige Wirt des Gasthauses »Zum dicken Klumpen« war ihm durch die Lappen gegangen, war allen Polizeidienern des Königreiches Preußen und allen Richtern dieser Welt entkommen. Doch der Richter, vor dem er jetzt stand, davon war Martin Grottkamp überzeugt, der ließ sich nichts vormachen vom Klumpenwirt aus Sterkrade. Der verlangte Rechenschaft für jeden Kupferpfennig, den Küppken in seinen Geldbeutel gestopft hatte.
    »Sag mal, wo ist eigentlich die Margarete Sander?«
    Die Frage schreckte Maria Schneider aus ihren Gedanken auf. »Meinen Sie, der Wirt würde noch leben, wenn wir gestern Abend den Heildiener geholt hätten?«, wollte sie von Grottkamp wissen.
    Der schüttelte entschieden den Kopf. »Wenn die Cholera einen richtig erwischt, so wie den Küppken, dann kann auch ein Heildiener nichts mehr ausrichten.«
    »Die Grete hat das sehr mitgenommen heute Morgen. Sie ist zur alten Anna gegangen.«
    »Und hat dich hier mit allem allein gelassen?«, wunderte Grottkamp sich.
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte Maria. »Es ist ja nicht viel zu tun. Die Schankstube bleibt heute zu, und um die paar Logisgäste kann ich mich schon kümmern.«
    »Wie viele Gäste wohnen denn zur Zeit im Haus?«
    »Sechs«, antwortete Maria.
    »Einer von denen ist dieser Engländer?«
    Das Stubenmädchen nickte. »Er ist aber unterwegs. Die anderen übrigens auch. Über Tag ist nur selten jemand im Haus. Und heute Abend, wenn die Logisgäste zurückkommen, dann ist die Grete auch wieder hier. Das hat sie mir versprochen.«

    Jacob Möllenbeck stellte seine Tasche ab und legte seinen Gehrock über einen Stuhl. »Die Ratschlüsse des Herrn sind unergründlich«, murmelte er, und sein alter Schulfreund Martin Grottkamp bemerkte, dass der leise dahingesagte Satz wie ein Vorwurf klang, wie ein bitterer Vorwurf gegen diesen allmächtigen Herrn, der mit seinen unergründlichen Ratschlüssen den Menschen das Leben schwer machte oder es ihnen gleich wegnahm, ganz wie es ihm beliebte.
    »Einen Kaffee, Herr Heildiener?«, fragte Maria, während Möllenbeck sich setzte. Der nickte dankbar.
    »Sie auch noch einen, Herr Sergeant?«
    »Ja gerne«, antwortete Grottkamp.
    »Ich werde noch eine Kanne aufbrühen«, sagte das Mädchen. »Es wird eine Weile dauern.«
    Die beiden Männer nickten stumm. Dann saßen sie schweigend in der stillen Gaststube und hörten Maria in der Küche hantieren.
    Jacob Möllenbeck sah müde und erschöpft aus, so wie immer in letzter Zeit, wenn Grottkamp ihm begegnete. Durch die blasse Gesichtshaut des Heildieners zogen sich tiefe Furchen von der Nase zu den Mundwinkeln. Seine Lippen waren schmaler als früher, die Augen lagen tiefer in ihren Höhlen, und das schütter gewordene Haar des Freundes war

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