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Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
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Linnentücher. Ein Nähkästchen, eine Waschschüssel und zwei Krüge standen auf der Kommode neben der Tür. Durch zwei Fenster fiel Licht ins Zimmer. Der Holzboden war blank geschrubbt.
    So hell und sauber, so voller gediegener Ordnung war diese Mägdekammer, dass Grottkamp verwundert innehielt. Das Zimmer zweier braver Mädchen, ja, das mochte so aussehen! Aber die Kammer, in der Grete Sander mit Julius Terfurth und wohl auch mit Küppken und manch anderem Unzucht getrieben hatte, die hatte er sich anders vorgestellt: schmuddelig und düster, mit einem zerwühlten Bett, durchweht vom Modergeruch verbotener Lust.
    Ein Geräusch schreckte ihn auf. Hastig zog er die Tür zur Mägdekammer zu. Holzschuhe klapperten über die Fußbodendielen des oberen Stockwerkes. Aufgeregte Schritte kamen hastig näher und brachten ein hemmungsloses Schluchzen mit.
    Die Holzschuhe erschienen in der Treppenöffnung über Grottkamp. Die Knöchel, die daraus hervorlugten, wurden von einem blauen Rocksaum umspielt. Nach einem üppigen Becken und einer schmalen Taille wurde eine weiße Bluse in der Treppenluke sichtbar, die sich über ein Paar fester Brüste spannte. Dann blickte Grottkamp in das verweinte Gesicht des Stubenmädchens Maria Schneider.
    Als Maria den Polizeidiener am Fuß der Stiege im Flur stehen sah, streckte sie schluchzend ihre Arme nach ihm aus. Verwirrt griff Martin Grottkamp nach den Händen der jungen Magd. Sie stolperte die letzten Stufen hinunter und drängte sich weinend an seine uniformierte Brust. Er spürte Marias Nähe so intensiv, dass er erstarrte. Er konnte sich ihr weder entziehen, noch konnte er sie zurückweisen. Ihre Tränen machten ihn hilflos.
    Erst als ihr Schluchzen leiser geworden war, fragte er: »Was ist denn nur los, Mädchen?«
    »Ich hab es gewusst, ich hab es gewusst«, jammerte sie. »Er hatte die Cholera. Die Cholera! Wir werden alle sterben.«
    Jetzt packte Grottkamp mit beiden Händen energisch Marias Oberarme und drückte die Magd so weit von sich, dass er ihr ins Gesicht schauen konnte.
    »Du redest wirr«, sagte er schroff. »Erklär mir, was los ist! Wer hat die Cholera?«
    Das Stubenmädchen riss erstaunt die verweinten Augen auf. Eine dicke Träne glitt am zarten Nasenflügel abwärts und versickerte im Mundwinkel. Maria zog einmal kräftig die Nase hoch. Dann stammelte sie: »Ich dachte, Sie wüssten es, dass der Küppken tot ist. Ich dachte, deswegen wären Sie hier.«
    Grottkamps Hände rutschten von den Armen der jungen Magd und sackten langsam nach unten, bis er mit hängenden Schultern vor ihr stand. Sein Gesicht war blass geworden. Verständnislos starrte er Maria an.
    Das Mädchen griff zaghaft nach seinen Händen und zog ihn durch den Flur zur Hintertür der Gaststube.
    In dem großen, stillen Raum, den er noch nie so menschenleer gesehen hatte wie in diesem Augenblick, versuchte er zu begreifen, was Maria da gerade gesagt hatte. Sie ließ ihn stehen und verschwand in der Küche. Grottkamp setzte sich an einen Tisch in der Mitte des Schankraums.
    Die junge Magd putzte sich geräuschvoll die Nase und kam kurz darauf zurück in die Gaststube. Sie stellte eine Tasse Kaffee vor Grottkamp auf den Tisch und nahm ihm gegenüber Platz.
    »Der stand schon eine Weile auf dem Ofen«, sagte sie mit weinerlicher Stimme. »Ist nicht mehr ganz frisch, aber noch schön heiß.«
    Grottkamp nickte und zog die Tasse zu sich heran.
    »Ich habe Angst«, sagte das Mädchen.
    Langsam wich die Blässe aus Martin Grottkamps Gesicht. Über dem dampfenden Kaffee löste sich allmählich der Knoten seiner verwirrten Gedanken, doch noch ließen diese sich nicht zu einem zusammenhängenden Faden verspinnen. Noch verloren sich alle Gedankenstränge im Nichts.
    »Nun mal eins nach dem anderen«, sagte er leise. »Hubertus Küppken, der Klumpenwirt, ist tot?«
    Maria nickte. Grottkamp trank einen Schluck Kaffee.
    »Und wer sagt, dass er an der Cholera gestorben ist?«
    »Der Herr Heildiener.«
    »Jacob Möllenbeck?«
    Das Stubenmädchen nickte wieder. »Er ist noch oben beim Klumpenwirt, der Herr Möllenbeck. Er hat gesagt, dass ich hier unten auf ihn warten soll. Er wollte den Toten untersuchen. Deshalb hat er mich rausgeschickt aus Küppkens Kammer. Und wegen der Ansteckung.« Maria wischte mit dem Schnupftuch über ihre Augen, die wieder feucht geworden waren.
    »Jetzt beruhige dich mal, Mädchen! So schnell steckt man sich nicht mit der Cholera an. Guck dir doch den Möllenbeck an. Der kümmert sich

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