Tod an der Ruhr
Kerseboom hinzu. »Wer jetzt nicht erntet, muss die Kartoffeln vielleicht in ein paar Tagen aus dem Matsch graben und hat dreimal so viel Arbeit.«
»Es wird vorläufig nicht regnen«, vermutete Grottkamp.
»Das sieht mir aber anders aus«, erwiderte der Freund mit einem Blick auf den bewölkten Himmel.
Grottkamp zuckte mit den Achseln. »Gestern hat die Sonne geschienen. Und wenn’s an Regina schön ist, soll es noch eine Weile so bleiben.«
»Du mit deinen alten Bauernregeln«, sagte Arnold Kerseboom lachend, während die beiden Männer sich setzten.
Minna und Tine, die beiden Jüngsten der Kersebooms, kamen um die Hausecke getollt. Minna trug einen leeren Eimer. Tine tanzte um die größere Schwester herum und schlug dabei immer wieder mit einem Stock auf den Kartoffeleimer. Nicht allein das Klingen des Blechs bereitete ihr Vergnügen, sondern vor allem das Gezeter der älteren Schwester.
»Guten Tag, Herr Grottkamp!«, riefen beide, als sie ihren Vater und seinen Schulfreund unter dem Birnbaum entdeckten. Grottkamp winkte den Mädchen zu und beobachtete sie eine Weile. Auf allen Vieren rutschten sie zwischen den Kartoffeln herum, die ihr Vater ausgegraben hatte. Die Spitzen ihrer langen, blonden Zöpfe baumelten herab bis auf die frisch umgehobene Gartenerde.
»Mädchen, macht euch doch nicht so schmutzig!«, rief Arnold Kerseboom zu ihnen hinüber. »Ihr sollt in die Hocke gehen und nicht auf die Knie!«
»Wir haben doch die alten Kleider an«, nörgelte Tine.
»Und außerdem haben wir Schürzen drüber«, sprang Minna der kleinen Schwester bei.
»So oder so. Die Mutter muss alles wieder waschen«, sagte Kerseboom energisch. »Außerdem sollt ihr die Kartoffeln in den Eimer legen und nicht werfen. Sonst bekommen sie Druckstellen und faulen schnell.«
Während er seine Pfeife stopfte, stellte er fest: »Die Kerle in meiner Kolonne parieren besser als die kleinen Weibsbilder. Kaum zu bändigen sind die manchmal.«
»Sei froh, dass sie so munter sind und so gesund, deine Kinder.«
Arnold Kerseboom nickte lächelnd. »Dafür danke ich unserem Herrgott jeden Tag. Das kannst du mir glauben.«
Eine Weile sahen die Männer den Mädchen zu, die weiter auf den Knien herumrutschten und nur hin und wieder mal daran dachten, die Knollen vorsichtig in den Eimer zu legen.
Hübsch sind sie, dachte Grottkamp. Sie könnten Sybillas Töchter sein.
»Wie geht es deiner Frau?«, fragte er Kerseboom.
»Viel Arbeit hat sie halt im Moment. Der Kappes und die Bohnen wollen in die Fässer. Und alles muss vorher geputzt und geschnippelt werden. Nächste Woche kommt der Metzger. Das Schwein ist jetzt schlachtreif. Du weißt ja selbst, was dann alles zu tun ist. Aber sie beklagt sich nicht über die zusätzliche Arbeit. Es ist ihr ja selbst eine Freude, wenn die Vorratskammer voll ist.«
»Grüß sie von mir!«, sagte Grottkamp.
Minna und Tine trugen gemeinsam den vollen Kartoffeleimer zum Schuppen hinterm Haus. Ihr Vater sah ihnen wohlwollend hinterher, zog an seiner Tabakspfeife und strich nachsichtig lächelnd durch sein kurz geschorenes, graues Haar.
»Das Leben meint es gut mit dir, Arnold Kerseboom«, stellte Grottkamp fest.
Sein alter Schulfreund nickte. Während er an einer Kante der Holzbank seine Pfeife ausklopfte, murmelte er: »Der Hubertus Küppken.« Er schüttelte den Kopf und fügte hinzu: »So schnell kann alles zu Ende sein.«
»Ja, so schnell kann es zu Ende sein«, sagte Martin Grottkamp leise. Eine Weile schwiegen die beiden Männer. Dann gestand Grottkamp dem Freund: »Ich konnte ihn nicht ausstehen, den Klumpenwirt.«
»Ein angenehmer Zeitgenosse war er nicht«, pflichtete Kerseboom ihm bei. »Ich mochte weder den Küppken noch sein labbriges Bier. Trotzdem bin ich hin und wieder gerne ins Gasthaus ›Zum dicken Klumpen‹ gegangen.«
Grottkamp nickte. »Hast du schon mal erzählt.«
»Da triffst du eben Leute, die du in keiner anderen Sterkrader Schänke findest. Natürlich ist allerlei Gesindel darunter, aber auch mancher interessante und weit gereiste Mensch, der schon herumgekommen ist in der Welt und einiges zu erzählen weiß.«
»Hast du eigentlich mal Mister Banfield kennengelernt?«
»Den piekfeinen Engländer, der beim Klumpenwirt logiert?« Kerseboom lachte auf. »Der hat mal einen ganzen Abend lang auf mich eingeredet, dieser verrückte Kerl. Aber bei mir war er mit seinen komischen Ideen an den Falschen geraten.«
Grottkamp wurde hellhörig. »Mit seinen komischen
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