Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod an der Ruhr

Tod an der Ruhr

Titel: Tod an der Ruhr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Kersken
Vom Netzwerk:
Bürgermeisterei Holten.
    Grottkamp beschleunigte seine Schritte. Immer noch auf Oberhausener Gemeindegebiet, überquerte er den schmalen Kanal, der die Eisenhütte Neu-Essen mit Wasser aus der Emscher versorgte.
    Neu-Essen war neben der Gutehoffnungshütte in Sterkrade und Sankt Antony in Osterfeld eines der drei Stammwerke der Hüttengewerkschaft Jacobi, Haniel & Huyssen. Die moderne Walztechnik hatte den alten Eisenhammer jedoch schon vor Jahrzehnten unrentabel gemacht. Seitdem war das Walzwerk, an dessen lang gestreckten Werkshallen Grottkamp gerade vorbeimarschierte, der Mittelpunkt der Oberhausener Hüttenbetriebe. In den vergangenen Jahren waren ein paar hundert Ruten südlich, am Rande der Heide, moderne Kokshochöfen entstanden, in denen das Eisen gewonnen wurde, das hier gewalzt und in den Werkstätten in Sterkrade verarbeitet wurde.
    Zwischen den Hallen des Walzwerkes ließ eine Lokomotive der Werksbahn geräuschvoll Dampf ab. Über die Emscherbrücke rumpelte Grottkamp ein unbeladenes Fuhrwerk entgegen. Das schwere Zugpferd trottete gemächlich an ihm vorbei. Der Fuhrmann hob die Hand zum Gruß.
    Die Emscher schlängelte sich wie eh und je in zahllosen, engen Windungen durch ihre Auen. Doch längst wand sie sich nicht mehr durch unberührte Wald- und Heidelandschaften. Seit Jahrhunderten war sie Grenzfluss, doch auf der alten Brücke hatte niemand mehr seinen Wegezoll zu entrichten, wie zu jenen Zeiten, als hier die Kutschen vom Stift Essen hinüberrollten in das Herzogtum Kleve.
    Grottkamp fragte sich, welche Bedeutung diese Grenze überhaupt noch hatte. Nun gut, sie trennte zwei Bürgermeistereien voneinander. Aber die Hüttengewerkschaft machte sich südlich der Emscher ebenso breit wie nördlich von ihr, und mit Sankt Antony lag ein Teil ihrer Werke sogar im Westfälischen. Für die moderne Industrie schien es keine Grenzen mehr zu geben.
    Entschlossen überquerte er die Brücke und marschierte eilig am Schloss Oberhausen vorbei in Richtung Sterkrade.
    Für ihn, den Polizeidiener Grottkamp, hatte die Grenze noch eine Bedeutung. Er war jenseits der Emscher nicht mehr für die Lohnhuren zuständig. Das war es, was zählte, und dass die beiden sich diesseits der Emscher nicht mehr blicken lassen würden.

    Das Gasthaus »Zum dicken Klumpen« hatte noch geschlossen, obwohl es schon beinahe elf Uhr war. Erstaunt rüttelte Martin Grottkamp an der verriegelten Tür. In der Gaststube blieb es still.
    Vor dem Küchenfenster stellte er sich auf die Zehenspitzen. Geschirr stapelte sich auf dem Spülstein, ein großer Topf stand mitten auf dem Herd. Kein Mensch war zu sehen.
    Als er halb um das Gasthaus herumgegangen war, entdeckte Grottkamp die Seitentür, von der Margarete Sander gesagt hatte, sie sei stets unverschlossen. Er hob den Riegel hoch und drückte gegen die Tür. Zaghaft in den Angeln quietschend öffnete sie sich.
    Augenblicke später fand Grottkamp sich im Halbdunkel eines gestreckten Flures wieder und versuchte sich zu orientieren.
    Die Treppe zu seiner Linken konnte nur zu den Logiszimmern im oberen Stockwerk führen. Vor der untersten Stufe standen zwei Handlaternen. Sie waren anscheinend für die Gäste, die im Dunkeln ins Haus kamen oder spät noch einmal hinausgingen. In beiden steckten die Stümpfe von Wachskerzen. Die gläsernen Scheiben der Laternen waren so klar, als würden sie selten benutzt oder häufig gereinigt.
    Hinter den Treppenstufen erkannte Grottkamp eine verriegelte Holztür. Sie führte hinaus zum Innenhof und zu den Pferdeställen. Er hatte die Tür schon einige Male von außen gesehen, wenn er vom Schankraum aus den Hof betreten hatte, um die dort abgestellten Fuhrwerke zu kontrollieren. Auch die drei weiteren Türen, die er entdeckte, glaubte er zuordnen zu können. Am Ende des Flures sah er zweifellos den Hintereingang zum Schankraum. Rechts davor lag die Küche, und hinter der schmalen Brettertür unmittelbar neben ihm konnte sich nur die Kammer befinden, die sich die Schankmagd Margarete Sander und das Stubenmädchen Maria Schneider teilten.
    Er pochte gegen die Brettertür und lauschte. Alles blieb still.
    Grottkamp öffnete die schmale Tür einen Spalt weit und schaute in die Mägdekammer hinein.
    Das Bett sah unberührt aus. Eine glatt gezogene wollene Decke überspannte es. Vor dem Bett stand ein kleiner Holztisch, darauf eine Kerze, daneben ein dreibeiniger Schemel.
    Auf einer Truhe lagen, frisch gewaschen und akkurat gefaltet, mehrere Stapel weißer und gefärbter

Weitere Kostenlose Bücher