Tod an der Ruhr
seit Wochen um die Kranken, und der hat nichts.«
»Weiß man es?«, seufzte Maria.
»Du musst acht geben, dass du nicht mit den Ausscheidungen eines Kranken oder Verstorbenen in Berührung kommst. Das ist das Wichtigste.«
»Ich habe seine Wäsche gewaschen«, jammerte das Mädchen.
»Wann zuletzt?«
»Am Donnerstag.«
»Vorgestern?« Grottkamp winkte ab. »Da hab ich doch noch mit dem Küppken da drüben am Tisch gesessen, mit einem kerngesunden Hubertus Küppken, soweit ich mich erinnere.«
Maria nickte. Sie schien ein wenig beruhigt.
»Wo hat der Klumpenwirt denn seine Notdurft verrichtet?«, wollte Grottkamp wissen.
»Meistens hinten bei den Pferdeställen. Und wenn er nachts musste, hat er in seinen Topf gemacht.«
»Und den Topf gereinigt hast du?«
Das Mädchen nickte wieder.
»Wann zum letzten Mal?«
Maria dachte kurz nach. »Gestern Morgen war nichts drin. Also auch vorgestern.«
»Na siehst du.« Martin Grottkamp warf dem Stubenmädchen einen aufmunternden Blick zu. »Da kannst du dich doch gar nicht angesteckt haben.«
Maria Schneider glaubte ihm nur allzu gern. Grottkamp leerte seine Kaffeetasse und ermunterte Maria, ihm zu erzählen, was sie über die letzten Stunden des Klumpenwirtes und seinen plötzlichen Tod wusste.
Seit Freitagmorgen habe Küppken sich unwohl gefühlt, berichtete das Mädchen. Er habe sich aber nichts dabei gedacht, weil er am Abend zuvor, nachdem der Polizeidiener gegangen war, noch lange und heftig mit einigen seiner Gäste gezecht hatte. Er hatte sich dazu hinreißen lassen, Bier und Branntwein durcheinanderzutrinken, obwohl er wusste, dass ihm das nicht gut bekam.
Den gestrigen Tag habe er weitgehend im Bett verbracht, erzählte das Stubenmädchen. Irgendwann am frühen Abend sei er dann runter gekommen in die Gaststube. Ziemlich leidend habe er ausgesehen. Er habe versucht, ein wenig zu essen, aber dadurch sei es keineswegs besser geworden mit ihm.
Kurze Zeit später hatte Maria ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht zurück in seine Kammer gehen sehen. In diesem Moment hatte sie zum ersten Mal daran gezweifelt, dass der Klumpenwirt sich wirklich nur eine alltägliche Magenverstimmung zugezogen hatte.
Unter heftigen Durchfällen habe Küppken gelitten, wusste Maria. Wann sie eingesetzt hatten, konnte sie allerdings nicht sagen. Tagsüber hatte sie den Wirt einmal zu den Pferdeställen hinüberhasten sehen und vermutet, dass sein Darm ihn zu der Eile trieb.
»Gestern Abend hat die Grete dann noch einige Male nach ihm geschaut. Da war es so richtig im Gange. Einmal’, als sie in seine Kammer kam, saß er auf seinem Topf und beugte sich über einen Eimer. Da kam es wohl oben und unten gleichzeitig heraus. Zuletzt hat er es dann nicht mal mehr aus dem Bett geschafft. Als die Grete und ich ihn heute Morgen gefunden haben, da lag er jedenfalls mittendrin in seiner Scheiße und in seiner Kotze.« Maria schüttelte sich. Angewidert fügte sie hinzu: »Das hat erbärmlich gestunken.«
»Kann ich mir vorstellen«, murmelte Grottkamp.
»Wir haben nichts angefasst, überhaupt nichts«, sagte Maria. »Wir haben die Tür zu seiner Kammer verriegelt, und ich bin dann sofort zum Heildiener gelaufen.«
»Wann hat ihn denn zuletzt jemand lebend gesehen?«, fragte Grottkamp.
»Die Grete und ich, wir haben gestern Abend die ganze Arbeit gemacht, in der Schankstube und in der Küche. Und die Grete ist ein paarmal zwischendurch hoch und hat nach ihm geschaut. Als wir hier unten fertig waren, hat sie ihm noch einen Pfefferminztee gebracht. So kurz vor Mitternacht war das. Da schlief er ganz friedlich. Und dann sind wir erst heute Morgen wieder gucken gegangen, die Grete und ich zusammen. Und da war er tot, der Klumpenwirt.«
»Und warum hat gestern Abend immer nur Margarete Sander nach ihm geschaut? Warum bist du nicht mal zum Küppken rauf?«
»Ach wissen Sie, Herr Polizeisergeant, die Grete, die hat dem Wirt irgendwie näher gestanden als ich.«
»Ja, ich weiß«, knurrte Grottkamp. Das Stubenmädchen schlug verlegen die Augen nieder.
»Eins geht mir allerdings nicht in den Kopf. Jedermann in Sterkrade spricht von der Cholera, jeder hat Angst vor ihr. Die Leute rennen bei den kleinsten Anzeichen zum Heildiener«, sagte Grottkamp nachdenklich. »Wieso seid ihr beiden Mädchen nicht auf die Idee gekommen, dass den Klumpenwirt die Cholera erwischt haben könnte?«
»Sind wir doch, sind wir beide. Vor allem wegen dem Durchfall. Die Grete hat dem Küppken ja vorgeschlagen, wir
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