Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
nicht einfach akzeptieren wollte.
Dabei war der Mann näher getreten und stand jetzt neben der jungen Frau, starrte mit ihr zusammen hinaus aus dem Fenster, als gäbe es dort die Lösung für die Probleme zu finden.
Und irgendwie geschah es dann. Er nahm sie zärtlich in die Arme, und nach kurzem Zögern folgte ein langer Kuss, der beiden das Gefühl gab, in dem jeweils anderen den absolut richtigen Partner gefunden zu haben.
Pat hatte sich bisher gegen dieses Gefühl gewehrt, obwohl sie ihm schon lange gerne nachgegeben hätte, weil ihr Herz schon längst für Keith Lamont gesprochen hatte. Und Keith wusste ganz einfach, dass er diese Frau am liebsten nie wieder aus seinen Armen loslassen würde.
Als Lady Marjorie irgendwann später hereinkam, fühlte sie sofort, dass zwischen den beiden irgendetwas geschehen war. Und sie war zufrieden und stellte in Gedanken bereits eine Einladungsliste für das große Verlobungsfest auf, das es sicher in Kürze geben würde.
Schließlich aber kam Pat darauf zu sprechen, dass man sie hier in der Stadt schon als Hexe bezeichnete, wozu die Presse nicht wenig beigetragen hatte. Das würde ganz sicher noch eine Menge Probleme geben, fürchtete sie. Und sie wollte mehr über den Fluch wissen, der auf dem Richtplatz lastete. Keith und Lady Marjorie erzählten abwechselnd, und schließlich lachte Pat gequält auf.
„So ein Unsinn aber auch. Da bin ich ja genau die richtige Person, um in diese tragische Rolle zu schlüpfen. Ich glaube nicht einmal an Geister, und an einen solchen Fluch schon gar nicht, auch wenn ich es merkwürdig finde, dass dieses Grundstück in der Stadt noch nicht anderweitig genutzt wurde. Aber ganz bestimmt war es kein Geist, der diese Unglücksfälle im Zirkus veranlasst hat. Nein, ich bin sicher, das war ein Mensch aus Fleisch und Blut. Aber wer? Und warum?“
„Auch wenn du nicht an Geister glaubst“, wandte Keith ein, und seine Mutter vermerkte mit Freude, dass zwischen den beiden das Du völlig natürlich klang, „so gibt es doch viel zu viele Leute, die das ernst nehmen. Und die öffentliche Meinung ist ein Ding, das man nicht unterschätzen darf. Tu das also bitte nicht gleich ab.“
Wieder lachte Pat bitter auf. „Weißt du, ich glaube nicht einmal an das Hausgespenst auf unserem Schloss daheim. Obwohl selbst mein Vater stur und steif behauptet, er hätte das Gespenst schon gesehen. Aber ich will zu seiner Entlastung annehmen, dass er zu tief ins Glas geschaut hatte.“
„Du gehst sehr leichtfertig damit um“, stellte der junge Mann besorgt fest.
„Ach, ich bitte dich. Es ist doch nicht leichtfertig, wenn ich es für Blödsinn halte, dass ein Geist die Trosse am Trapez gelockert hat. Es ist ganz einfach realistisch anzunehmen, dass da ein Mensch seine Finger, oder vielmehr Werkzeug im Spiel hatte. Und ich sage dir, am liebsten würde ich selbst hinausgehen und versuchen den ausfindig zu machen, der mich da in diese äußerst prekäre Situation gebracht hat.“
„Das wirst du auf gar keinen Fall tun“, bestimmte Keith jetzt scharf, er hatte wirklich Angst, dass ihr etwas passieren könnte.
Auch Lady Marjorie winkte ab. „Sie würden nicht nur den Leuten noch mehr Nahrung zum Klatschen geben, Pat, Sie würden sich ernsthaft in Gefahr bringen. Überlassen Sie es meinem Sohn und seinen Kollegen, den Schuldigen herausfinden. Es ist ihre Aufgabe, und im allgemein sind sie darin sehr tüchtig. Und ich glaube, dass Keith jetzt sogar noch ein wenig mehr angespornt ist, sein Bestes zu geben. Diese Leute sind dafür ausgebildet. Ein Amateur, verzeihen Sie dieses Wort, aber es trifft zu, könnte mehr Schaden als Nutzen bringen.“
Pat zuckte ein wenig resigniert die Achseln. „Ja, ich verstehe, leider. Ich finde es nur so bedrückend und regelrecht deprimierend, selbst gar nichts tun zu können und darauf warten zu müssen, dass andere meine Unschuld beweisen. Ich hasse diese Hilflosigkeit, und es juckt mich wirklich in den Fingern, selbst etwas zu unternehmen.“
Keith blickte sie für einen Augenblick misstrauisch an. So ganz traute er ihrer scheinbaren Nachgiebigkeit noch nicht. Aber es gab im Augenblick keinen Grund anzunehmen, dass sie so leichtsinnig sein konnte, sich ernsthaft in Gefahr zu begeben.
Eigentlich hatte der Inspector bis Montag früh auf Glencarrick Castle bleiben wollen, um die Nähe und die Zweisamkeit mit Pat ein wenig zu genießen, um die junge Frau besser kennenzulernen und festzustellen, dass er sich in seinen Gefühlen
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