Tod auf dem Drahtseil (Roman) (German Edition)
lachte auf. „Nur der allerbesten Herkunft, Mutter, nur der allerbesten.“
Der Inspector fuhr später zurück nach Dumbarton, während Pat bei Lady Marjorie blieb. Die junge Frau war zunächst einigermaßen verlegen, was sich aber durch das freundliche Verhalten der Lady schnell legte. Es dauerte gar nicht lange, bis Pat Vertrauen fasste. Schließlich saßen die beiden Frauen zusammen wie alte Freundinnen und redeten über Gott und die Welt.
Pat erzählte die ganze Geschichte aus ihrer Sicht, und Lady Marjorie verstand, wie unglücklich die junge Frau sein musste. Da sie ungeheuer wissbegierig, schon fast neugierig war, bestand sie darauf, dass Pat jede Kleinigkeit genau erzählte. Dabei taxierte die ältere Frau die jüngere und kam zu einem befriedigenden Ergebnis. Schließlich stellte sie Pat eine mehr als ungewöhnliche Frage, die nichts mit dem aktuellen Problem zu tun hatte.
„Wie lange kennen Sie meinen Sohn jetzt eigentlich, Pat?“
„Nun, es ist noch nicht ganz eine Woche - seit wir hier in Dumbarton sind. Warum?“
„Mögen Sie ihn?“
Leichte Röte überzog das Gesicht der jungen Frau, und sie zögerte ein wenig mit der Antwort, nickte dann aber langsam, als sie sich über ihre Gefühle selbst klar wurde. „Ja, Mylady, ich glaube, ich mag Ihren Sohn. Aber ich denke, das tut jetzt und hier nichts zur Sache.“
Die Lady zeigte sich zufrieden. „Das lassen Sie mal meine Sache sein. Ich habe mir schon etwas in dieser Richtung gedacht, denn unter normalen Umständen würde er niemals jemanden hierher bringen. Sie müssen also auch für ihn etwas ganz Besonderes sein.“
Pat machte eine abwehrende Handbewegung. „Da ist nichts gewesen. Und ich will doch gar nicht, ich meine, ich kann doch nicht – ich bin doch eine Verdächtige. Wie kann er da etwas für mich empfinden? Sicher täuschen Sie sich, Mylady.“
„Ich glaube, in dieser Beziehung müssen Sie noch eine ganze Menge lernen, mein Kind. Keith hat seit Jahren keine Frau mehr angesehen und sich schon gar nicht für eine interessiert. Und dann schneien Sie von einer Sekunde auf die andere hier herein, und ich soll an Zufälle glauben? Nein, Pat, ich glaube, oder besser, ich bin ziemlich sicher, dass Keith auch für Sie viel empfindet. Aber darüber können wir immer noch reden, wenn das andere ausgeräumt ist, wann immer das sein mag.“
Aber Pat hatte dazu noch etwas zu sagen, und das verwunderte Lady Marjorie sehr. „Mylady, selbst wenn ich tiefergehende Gefühle für Ihren Sohn empfinden sollte, so muss ich mir das doch im Augenblick selbst verbieten, solange noch immer ein Verdacht auf mir lastet. Ich könnte es nicht zulassen, dass er womöglich in Gewissenskonflikte gerät. Das würde ich mir nie verzeihen.“
„Sie haben sehr viel Stolz und Charakter, mein Kind. Und sollte auch Keith mehr als bloße Freundschaft für Sie empfinden, so werde ich sicher die erste sein, die euch beiden gratuliert.“
Pat wurde wieder rot. Ihre Gedanken hatten sich bisher noch nie soweit verirrt, und dass diese wunderbare Frau so offen und einfach darüber sprach, nötigte ihr eine Menge Respekt ab. Sie schickte der Lady einen dankbaren Blick.
„Ich kann nur wiederholen, dass ich keine Schuld auf mich geladen habe. Aber ich kann es nicht beweisen. Und erst, wenn jeder Makel von mir genommen ist, werde ich mir gestatten, weitere Gedanken daran zu verschwenden, Mylady. Aber ich bin Ihnen sehr dankbar für ihre Worte.“
*
Obwohl Pat nicht mehr auf dem Zirkusgelände wohnte und von daher auch gar nicht mehr als Schuldige in Frage kommen konnte, riss die Serie von Unglücken unter den Artisten nicht ab.
Ein Wohnwagen fing in der Nacht Feuer und konnte nur dank des unglaublich raschen Einsatzes der Feuerwehr noch gerettet werden, so dass auch keine Verletzten zu beklagen waren. Doch das grenzte schon fast an ein Wunder. Und jedes kleine Missgeschick, das ansonsten höchstens Unmut nach sich gezogen hätte, wurde jetzt auf den schändlichen Einfluss des Fluchs, oder gleich Pat angelastet.
Keith war es letztendlich gewesen, der mit all seinen Beziehungen veranlasst hatte, dass der Zirkus nicht abreisen durfte. Er hatte auch vor dem Bürgermeister seine Meinung vertreten, dass es einfach zu viele ungeklärte Vorfälle gab, die dringend einer Untersuchung bedurften. Und es war längst nicht sichergestellt, dass man im Notfall eine Strafverfolgung einleiten konnte, wenn der Zirkus weiterzog. Um aber einem enormen Verdienstausfall zuvorzukommen,
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