Tod auf der Fähre (German Edition)
schaffen. Die bekannten Künstler ziehen die Leute an und dadurch kann auch ein unbekannter Künstler an die Öffentlichkeit treten.»
«Aber soweit ich sehe, zeigen Sie hier nur Bilder von Frank Brehm.»
«Das ist meine einzige Ausnahme. Frank ist … war mein wichtigster Künstler. Er hat mich gebeten, ihn nur in Einzelausstellungen zu zeigen. Das konnte ich ihm unmöglich abschlagen.»
«Wie funktioniert eigentlich eine Zusammenarbeit zwischen einem Galeristen und einem Künstler?»
«Da gibt es verschiedene Modelle. Mit Frank haben … eh, hatten wir einen Exklusivvertrag abgeschlossen. Alle Verkäufe wurden durch uns abgerechnet. Für eine Ausstellung in unseren Räumen erhalten wir vierzig Prozent, bei allen weiteren Ausstellungen zehn Prozent der Verkaufssumme, die ausstellende Galerie oder das Museum vierzig Prozent und der Rest geht an den Künstler.»
«Das heisst, der Künstler erhält je nachdem fünfzig oder sechzig Prozent von jedem verkauften Bild?»
«Richtig. Es gibt natürlich Galerien, vor allem in Amerika, die verlangen bis zu siebzig Prozent der Verkaufssumme. Da hat aber Frank nicht mitgespielt. Auf unverschämte Forderungen ist er nie eingegangen.»
«Und wenn man von einem Jahresumsatz spricht, wie hoch war dieser bei Herrn Brehm?»
«Anfänglich handelte es sich um kleine Summen. Ich kann mich noch gut an die erste Ausstellung erinnern. Wir setzten 20 000 Franken um. In den letzten zehn Jahren hat Frank immer zwischen zwei und vier Millionen pro Jahr verdient.»
«Das ist viel Geld.»
«Das hängt vom Blickwinkel ab. Wenn Sie es mit den Verhältnissen von Olivia Vischer vergleichen, sind vier Millionen ein Pappenstiel. Wenn Sie es dagegen mit Ihrem Gehalt vergleichen, ist es richtig viel Geld.»
Womit der Galerist den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
«Wissen Sie, wie Herr Brehm Frau Vischer kennen gelernt hat?»
«Es war an einer Vernissage, der zweiten Ausstellung, glaube ich. Frau Vischer war ganz begeistert von seinen Werken. Und von ihm. Es war Liebe auf den ersten Blick, wenn Sie mir diesen abgedroschenen Ausdruck erlauben.»
«Und bei Herrn Brehm?»
«Nun, wissen Sie, Künstler sind eigenartige Personen. Wie soll ich Ihnen das erklären?» Er dachte angestrengt nach. «Ein wirklich grosser Künstler liebt nur sich selbst. Ich weiss, was Sie jetzt sagen wollen, das sei sehr egoistisch. Natürlich ist es das. Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter. Er duldet niemanden neben sich, der ihm zur Konkurrenz werden könnte, und tanzt immer auf einem Vulkan, geht an seine Grenzen und manchmal darüber hinaus. Und Frank … nun, er ist, pardon, er war ein grosser Künstler. Aber ich glaube nicht, dass Sie das verstehen können.»
«Wenn ich Ihre Beschreibung richtig interpretiere, bedeutet das, dass er Frau Vischer nicht geliebt hat.»
«Nein, nein, das ist vollkommen falsch. Sehen Sie, ich habe es ja gesagt, Sie verstehen nicht, was ich meine. Ich gebe zu, es ist auch nicht einfach zu begreifen. Sicher hat Frank Olivia geliebt. Mit der Zeit ist die Liebe dann vielleicht … na, sagen wir, abgeflacht. Jeder ist seinen eigenen Weg gegangen.»
«Das heisst im Klartext, dass Frank Brehm Olivia Vischer geliebt, benutzt, ausgebeutet und, nachdem er sie nicht mehr brauchte, wie einen alten Handschuh weggeworfen hat.»
«Eine äusserst eigenwillige Interpretation meiner Worte, Herr Ferrari. Aber, wie gesagt, ich glaube nicht, dass Sie mit Ihrem … äh … logischen Denkvermögen die komplexen Gedankenströme eines Genies verstehen können.»
«Sie meinen, das Spatzenhirn eines Polizisten reicht dazu nicht aus.»
«Ich bitte Sie, es liegt mir fern, Sie zu beleidigen.»
«Wie war das Verhältnis zwischen den beiden in den letzten Jahren?»
«Ich bin Galerist. Ich bin nicht zuständig für die Familienverhältnisse des Ehepaars Vischer.»
«Hat es oft Streit zwischen den beiden gegeben?»
«Da fragen Sie Frau Vischer am besten selber.»
Der Kommissär kam so nicht weiter. Wohlfahrt wusste mehr, als er sagte. Seine Antworten klangen sehr diplomatisch, eigentlich verständlich in Anbetracht der Tatsache, dass sein wichtigster Künstler ermordet worden und Olivia Vischer eine einflussreiche Frau war.
Wohlfahrt wurde von seiner Mitarbeiterin in den hinteren Teil der Galerie gerufen.
«Entschuldigen Sie, Herr Ferrari, nur einen kleinen Augenblick. Ein wichtiger Kunde. Den wollen wir ja nicht verärgern.»
Und schon war er weg. Wollte er sich nicht von niemandem stören
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