Tod auf der Fähre (German Edition)
lassen? Eben. Ein eigenartiger Laden. Irgendwie steril, an den Wänden Bilder in Reih und Glied, leblose, abstrakte Materie. Faszinierend gleichwohl. Ferrari konzentrierte sich auf ein grosses quadratisches Gemälde, das einen Kreis zeigte, von einem feinen farbigen Netz überzogen. Ein Lebenskreis, in dessen Netz ein jeder auf seine Art hängen bleibt? Ein Netz der Begierde, der Begehrlichkeit, der Beziehungen? Oder Lebenssequenzen, von der Geburt bis zum Tod? Der Kommissär bückte sich zum Preisschild hinunter. «Ohnmacht», so der Titel, war für eine halbe Million zu haben!
«Oh, Herr Ferrari, Sie sind ein Kunstkenner! Das ist eines der Schlüsselwerke von Frank Brehm.»
«Äh … ja. Ich bin … beeindruckt.»
Ferrari machte noch einen Versuch und kam auf seine eingangs geäusserte Bemerkung zurück.
«Was halten Sie also von den Kritiken, dass Herr Brehm seinen Zenit überschritten hatte?»
«Kritiken und ihre Kritiker! Diese unfähigen Idioten!», schrie er. Und als er sich etwas beruhigt hatte, ergänzte er, «jeder Künstler, ob Picasso, van Gogh, Rembrandt, hat stärkere und schwächere Perioden. Und bei jedem Nachlassen werden die Neider und Missgönner laut.»
«Hatte Herr Brehm in der letzten Zeit eine solch schwächere Periode?»
«Ja, ja! Er hat in den letzten Monaten zu viel gearbeitet. Ein oder zwei Mal zu viel ausgestellt. Wir haben am Sonntag miteinander darüber gesprochen. Seine Werke sind austauschbar geworden.»
«Würden Sie mir dies bitte näher erklären?»
«Ich warf ihm vor, dass er nur noch Massenproduktion, wie vom Fliessband, geschaffen habe. Er wurde daraufhin sehr wütend. Er konnte manchmal geradezu ausrasten, richtig jähzornig werden. Er hat ein Glas Wein nach mir geworfen, mir die Freundschaft aufgekündigt und gar gedroht, dass er bei uns aussteigen würde. Er würde seine Beziehungen spielen lassen, um uns zu ruinieren. Die Zusammenarbeit sei ein für allemal aus. Jeder andere Galerist auf der Welt würde ihm die Füsse küssen.»
«Er wollte aus dem Vertrag aussteigen?»
«Ach was, nicht wirklich. Das war alles Blabla. Ich habe mir den Sermon schon hundert Mal angehört. Immer die gleiche Leier. Wir haben uns nach jeder Auseinandersetzung wieder zusammengerauft. Er brauchte die Diskussion, die extreme Auseinandersetzung. Dadurch wuchsen sein Geist und seine künstlerische Potenz.»
«Aber es ist also richtig, dass Herr Brehm qualitativ schlechtere Werke als vor, sagen wir, einem Jahr schuf?»
«Ja, das stimmt», gab er zerknirscht zu.
«Gingen die Verkäufe zurück?»
«Vorerst noch nicht. Aber vermutlich wären sie mittelfristig zurückgegangen.»
«Noch zwei Fragen, Herr Wohlfahrt, dann sind Sie mich wieder los. Was können Sie mir über seine … seine Liebschaften erzählen?»
«Da muss ich leider passen. Frank hat mit mir nie über sein Privatleben gesprochen. Ob Sie es mir glauben oder nicht, wir haben nächtelang über Kunst diskutiert, aber keine einzige Minute über Frauen. Das soll nicht heissen, dass ich nicht davon gehört habe, dass es Frauen … einige Frauen in seinem Leben gegeben hat. Es kursierten auch immer wieder Gerüchte über wilde sexuelle Exzesse von Frank. Aber mit eigenen Augen gesehen oder mit jemandem gesprochen, der daran teilgenommen hat, habe ich nie. Wenn Sie darüber mehr wissen wollen, kann Ihnen viel eher sein Mitarbeiter Herbert Kuhn Auskunft geben.»
«Herr Brehm hatte einen Assistenten?»
«Aber ja doch. Herbert ist seit Jahren sein Mädchen für alles. Wollen Sie seine Adresse?»
«Das würde mir sicher weiterhelfen.»
Wohlfahrt blätterte seine Agenda durch.
«Ah hier, Grienstrasse, das muss irgendwo im Iselinquartier sein.»
Kommissär Ferrari nickte.
«Noch eine letzte Frage, hatte Frank Brehm Feinde? Feinde, die zu einem Mord fähig wären?»
«Herr Ferrari, ein Mann wie Brehm, ein Mann, der sein Leben bis zum letzten Blutstropfen auslebt, ein Mann, der bei allem, was er macht, zweihundert Prozent gibt … immer am Limit, im roten Bereich, der alles erreichen will, so ein Mann hat eine Menge Feinde. Da wären Künstlerfreunde, die zu Feinden werden, wenn er sie öffentlich der Lächerlichkeit preisgibt, oder gehörnte Ehemänner. Ob dies aber ausreicht, dass ihn jemand umbringt, ich weiss nicht. Ich weiss es wirklich nicht.»
«Hat er eigentlich getrunken?»
«Sie werden es ohnehin erfahren. Ja, er war meistens angeheitert. In den letzten Monaten manchmal auch mehr.»
«Und Drogen?»
«… hat er nicht
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