Tod auf der Koppel
verbracht haben.« Mit diesen Worten verließ er das Haus.
Die Gerichtsverhandlung zur Feststellung von Jock Hawkins’ Todesursache ergab nichts Neues, was zu irgendwelchen Hoffnungen berechtigt hätte. Als Jim zurückkam, bat Annabel ihn, ihr zu erzählen, wie die Verhandlung verlaufen sei.
»Zunächst mußte der Tote wie üblich identifiziert werden«, begann Jim. »Das mußte Simon machen. Er berichtete, wie er an jenem Abend mit seinem Onkel zusammengetroffen sei. Da gab es nichts Neues. Sie hatten sich, wie gewöhnlich, auf eine nicht allzu herzliche Weise miteinander unterhalten. Dann wurde ich aufgerufen, aufgrund der Tatsache, daß ich ihn auf der Koppel gefunden hatte. Nach mir wurde Dalby Lord verhört, der ihnen von seinem Telefonat berichtete. Und endlich kam Alf an die Reihe.«
»Wie hat er sich benommen? War er aufgeregt? Hat er gesagt, wo er die Nacht über gewesen ist?«
»Nein. Er war sehr einsilbig und hat nur immer wiederholt, daß Jock noch am Leben gewesen sei, als er ihn verließ. Ich fürchte, er hat einen schlechten Eindruck hinterlassen. Danach wurde das Ergebnis der Untersuchung verkündet: >Tod durch Mord. Der Täter oder die Täter sind unbekannt<. Der Untersuchungsrichter hat sich so kurz wie möglich gefaßt. Ich habe keine Ahnung, ob der Inspektor schon jemand unter Verdacht hat. Ich halte ihn für sehr tüchtig.«
»Und was hat die medizinische Untersuchung ergeben?«
»Daß Jock durch einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand getötet worden ist. Erst hinterher wurde ihm noch ein Schlag mit einem Hufeisen beigebracht, so daß es aussehen mußte, als wäre er von einem Pferd getreten worden.«
»Hat man herausgefunden, wann er gestorben ist?«
»Es muß zwischen acht Uhr abends und Mitternacht gewesen sein. Soviel steht fest.«
Sie schwiegen. Dann meinte Annabel: »Ich hoffe nur, sie lassen Alf in Ruhe. Er nimmt es manchmal mit fremdem Eigentum nicht so genau, obwohl er von uns nichts anrührt. Aber er hat noch niemand tätlich angegriffen. Das paßt überhaupt nicht zu ihm.«
Jim seufzte, sagte aber nichts. Er sah zum Fenster hinaus, zu dem Sandkasten, wo sein Sohn wie üblich mit hingebungsvollem Eifer spielte, und versuchte, Annabel auf andere Gedanken zu bringen. »Du liebe Güte! Der kleine Teufel hat schon wieder ein Buch beim Wickel. Offenbar ist es wieder eins von deiner Mutter.«
»Geh und hol es rasch, Jim, und schimpf ihn richtig aus. Er ist ja geradezu auf Bücher versessen, wie ein Hund, der seine Knochen überall hinschleppt. Oh, und da ist ja auch schon wieder Mutters Wagen! Sie halten vor dem Haus. Lauf, so schnell du kannst, Jim, und versteck das Buch irgendwo. Mutter darf es ja nicht entdecken. Sie würde sich ehrlich aufregen.«
Augusta Wharton war jedoch bereits aufgeregt. Sie kam ins Zimmer gerauscht, gefolgt von Horace und ihrem Sohn Greville, der ein gottergebenes Gesicht zog, und ließ links und rechts ihre paar Habseligkeiten fallen. Jim warf einen verzweifelten Blick gen Himmel und stürzte zu der Sandkiste.
»Annabel, was muß ich hören?« rief Augusta. »Die Polizei schwärmt kreuz und quer durch die Gegend und schwatzt von Mord und Totschlag. Jim soll schon zu einer Gerichtsverhandlung geladen sein.«
Greville, ein lang aufgeschossener, schläfriger junger Mann mit Brille und langem glatten Haar, seufzte müde auf und ließ sich in den nächsten Sessel fallen. Er streckte beide Beine von sich, so daß jeder darüber zu stolpern drohte, der sich in dem kleinen Zimmer nur zu bewegen wagte. »Das braucht uns doch gar nicht zu kümmern, Mutter«, murmelte er. »Zum Kotzen, diese Aufregung um die Polizei und dieses Verbrechen! Und dazu noch der verrückte Diebstahl. Wie in einem Film von Agatha Christie.«
Greville war der einzige Mensch, der seine Mutter gelegentlich aus der Fassung bringen konnte — allerdings wirklich nur gelegentlich. Aber jetzt glaubte sie wirklich Grund zur Aufregung zu haben und ignorierte seinen gereizten Protest. Ihr sonst so blasses Gesicht war rot vor Zorn, und das unnatürlich golden schimmernde Haar, schwungvoll zurückgekämmt und im Nacken zu einem großen Knoten geschlungen, war in Unordnung geraten. Annabel hatte das mit einem Blick gesehen. Besänftigend meinte sie: »Greville, Mutter macht sich ernstlich Sorgen. Laß sie ausreden. Ist denn noch etwas passiert?«
»Nichts!« kam Greville seiner Mutter zuvor. »Bloß diese alberne Uhr. Mein Gott! Wie hätte ich wissen können, daß das so wichtig ist?
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