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Tod auf der Koppel

Tod auf der Koppel

Titel: Tod auf der Koppel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Scott - Joyce West
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er jedoch vor Augusta Whartons Tür stand, wußte er noch immer nicht, wie er ihr die Geschichte mit der Uhr beibringen sollte. Sie begrüßte ihn mit Herablassung, seufzte aber zugleich auf. »Komm in Gottes Namen herein. Ich bin zwar gerade beim Arbeiten, aber das kann warten. Ich habe gelernt zurückzustehen.«
    Jim mußte ein Lächeln unterdrücken. Der ganze Haushalt drehte sich doch nur um ihre Launen, um ihre Einfälle, um ihr künstlerisches Auf und Ab. Seine Schwiegermutter bestand nur aus Einbildung und Eitelkeit. Er mußte sehen, wie er sie an ihrer schwachen Stelle packte.
    Mit dramatischer Gebärde überreichte er ihr die Uhr. Sein Schwiegervater, der tief in seinen Tacitus versunken war, fuhr bei dem Freudenschrei seiner Frau zusammen. Es kam selten vor, daß sie ihre Begeisterung so unmittelbar äußerte.
    »Sieh einmal an, da ist ja meine Uhr! Wie schön, daß sie wieder aufgetaucht ist. Wo hast du sie gefunden, Jim?«
    Jim holte tief Luft. Dann rang er sich zu einem plötzlichen Entschluß durch. »Ich will euch die Wahrheit sagen: Sie wurde gestohlen«, erwiderte er. Er fühlte sich direkt erleichtert, nicht gelogen zu haben.
    »Gestohlen? Habe ich es dir nicht immer gesagt, Horace? Ich habe es genau gewußt. Berühmt, wie ich bin, konnte der Dieb sicher sein, etwas Wertvolles in unserem Haus zu finden. Und wer ist der Verbrecher?«
    »Ein Verbrecher ist er vielleicht nicht gerade. Er ist ein armer Kerl, der einer plötzlichen Versuchung nicht widerstehen konnte. Er sah die Uhr da liegen und steckte sie einfach ein. Als ich ihm das auf den Kopf zusagte, gab er sie mir reumütig zurück. Wir sollten das Ganze auf sich beruhen lassen.«
    »Er hat mir ein großes Unrecht zugefügt.«
    »Das will ich nicht leugnen. Aber bedenke bitte folgendes: Wenn du ihn anzeigst, gibt es eine Verhandlung. Du mußt vor Gericht erscheinen, und du weißt genau, wie diese Reporter von der Zeitung sind. Du hast deine Uhr zurückbekommen und weiter keinen Schaden erlitten — ich fürchte, die Öffentlichkeit würde mehr auf seiten des Diebs stehen. Dazu bestünde zwar nicht der geringste Anlaß, aber du weißt ja, wie die Leute sind.«
    Augusta Wharton dachte nach. Natürlich war ihr das klar. Im Augenblick genoß sie die Gunst des Publikums; aber wenn sie sich an einem harmlosen Dieb rächte, konnte man sie für herzlos und kleinlich halten. Das war gewiß nicht gut.
    »An dem, was Jim sagt, ist etwas dran, Augusta. Laß die Sache auf sich beruhen«, redete ihr ihr Mann zu.
    »Ich bin die letzte, die einen Menschen ins Gefängnis bringen will«, brauste sie auf. »In allen meinen Romanen habe ich stets die Sache der Armen vertreten.«
    »Ganz richtig«, stimmte ihr Jim rasch zu. »Ich habe gewußt, daß du so urteilen würdest. Du bist in keiner Weise engherzig.«
    »Engherzig? Niemals«, erklärte sie bestimmt.
    Jim stellte fest, daß sie von dem, was sie sagte, unerschütterlich überzeugt war. »Natürlich nicht!« erklärte er freudestrahlend. »Dazu bist du viel zu großzügig.«
    »Großzügig« war das Zauberwort. Es stimmte Augusta gnädig. »Du hast recht. Einem Sünder soll man verzeihend die Hand reichen.«
    Bei der Vorstellung, wie seine Schwiegermutter ihre weiche, weiße Hand Alf entgegenstreckte, mußte Jim beinahe laut auflachen. Aber er nahm sich zusammen und meinte ernst: »Ich bin dir zu großem Dank verpflichtet. Aber ich habe ja immer gewußt, man kann sich auf dich verlassen. Deine Großzügigkeit ist einfach nicht zu übertreffen.«
    »Davon bin ich überzeugt. Wenn dieser arme Kerl erst einmal festgestellt hat, daß die vom Glück Begünstigten auch gut sind, wird er bereuen. Ich will gar nicht wissen, wer es gewesen ist. Aber damit er erfährt, daß ich ihm verziehen habe, will ich ihm eines meiner Bücher widmen. Das wird ihn stets an sein Vergehen und an mein Verzeihen erinnern. Ich habe gerade noch ein Exemplar von >Das Doppelbett< da. Ich will ihm ein paar Worte hineinschreiben.«
    Jim kämpfte gegen ein unterdrücktes Lachen an. Er stellte sich vor, wie Alf auf dieses Geschenk reagieren würde, und fragte sich nur, bei welchem Antiquar das Buch wohl landete. Er bedankte sich und machte, daß er davon kam. Er war sehr mit sich zufrieden; Annabel würde ihn wegen seiner Geschicklichkeit loben.
    »Obwohl ich mich in den Menschen auskenne, Horace, erlebe ich doch immer wieder Überraschungen«, meinte Augusta Wharton, als er gegangen war. »So mit Jim zum Beispiel. Ich habe ihn immer für einen

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