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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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plötzlich, nach fast vier Monaten auf See, ist ihre Angst vor Indien so groß, dass sie lieber sterben will, als dort anzukommen. Sie versucht nicht mehr auszureißen, sie versucht, sich zu töten.« Er machte eine rauchumwölkte Pause, dachte an Braddocks Information über die fortwährende Übelkeit seiner geheimnisvollen Patientin und kam zu dem Schluss: »Sie ist schwanger!«
    Van Helmont nickte bedächtig. Zweimal.
    »Wissen die anderen beiden davon?«, fragte Gowers.
    Der Arzt schüttelte den Kopf. »Aber sie vermuten es, da bin ich ziemlich sicher.«
    »Und ist es ausgestanden?« Kopfschütteln. »Sie wird es wieder versuchen?« Nicken. »Solange sie schwanger ist.«
    Gowers schwieg eine Weile, dann stand er auf, um zu Bett zu gehen. »Möchte nicht in Ihrer Haut stecken, Doc! Ich glaube, Hippokrates hat sich da eindeutig festgelegt.«
    Van Helmont schnaufte verächtlich und drückte dann seine Zigarre aus.
    »Ärzte mussten bei schweren Geburten schon immer entscheiden. Zwischen dem Leben der Mutter und dem des Kindes. Ich tue nichts anderes, nur eben ein paar Monate früher.« Er erhob sich und fing an, seine Sachen auszuziehen.
    »Verstehen Sie was von Abtreibungen?«, fragte Gowers, der schon auf seiner Koje lag.
    »Nicht so viel wie von Amputationen«, antwortete Van Helmont und schnallte sein Holzbein ab. »Aber die schwarzen Frauen im Süden kannten ziemlich wirksame Mittel gegen unerwünschten
Nachwuchs. Ein durch jahrhundertelange Praxis und leider auch Notwendigkeit erworbenes Wissen. Ich denke, ich werde solch ein Mittel zusammenstellen, wenn ich in Kapstadt alle Bestandteile kriegen kann.« Seufzend streckte er sich in seiner Koje aus. »Und dann werde ich froh sein, wenn ich dieses Schiff nie mehr wiedersehe. Gute Nacht!«
    Er löschte das Licht, fügte aber nach einer Weile noch hinzu: »Sie hatten übrigens recht. Ein Bild von einem Mädchen!«
    »Mussten Sie das jetzt sagen?!« Gowers wollte eigentlich über etwas anderes nachdenken.
     
    Der Lauscher, der dem Arzt mit katzenhafter Gewandtheit bis zur Kabine nachgeschlichen war, nahm sein Ohr von der Wand und ging ebenso leise wie schnell seinen Weg zurück, um in der aufziehenden Dämmerung nicht doch noch gesehen zu werden. Er wusste, was er wissen wollte.

109.
    Im Hafen unter dem Tafelberg überwachte John Gowers »das Löschen der Ladung«, wie er das Anlanden von Van Helmonts nicht unbeträchtlicher Gepäckmenge ironisch nannte. Der Arzt war zu krank, um sich zu wehren.
    Er war schon um sechs Uhr früh in der Stadt gewesen, um ein Hotel zu suchen, das geeignet schien, von dort aus sein weiteres Leben in Ruhe zu planen. Hatte den ersten Sonnenaufgang über Afrika beobachtet und an sich selbst eine Übelkeit diagnostiziert, die diesem melancholisch-schönen Schauspiel kaum entsprach. Es war das Innenohr, das Gleichgewichtsorgan, das ihm zusetzte.
    »Fünftausend Meilen Atlantik, ohne seekrank zu werden,
und dann kotzt man denen hier als Erstes die Gegend voll!«, ächzte er, weiß im Gesicht, als er sich zum Hafen, zum Schiff und endlich auch in seine Koje zurückgeschleppt hatte. »Soll ich Ihnen was sagen? Ich habe mich noch nie so einbeinig gefühlt wie heute Morgen.«
    Gowers lachte. Er wusste, was die erste persönliche Landberührung einem Menschen nach mehrwöchigen, mehrmonatigen, ja mehrjährigen Seereisen antun kann. »Waren Sie wenigstens erfolgreich?«
    »O ja, nette Bude. Sehr geräumig. Keine Yankees.«
    »Worauf warten wir dann noch?«
    »Dass mein Magen wieder weiß, wo sein Platz ist. Außerdem muss ich noch ein gewisses Mittel herstellen.« Van Helmont holte verschiedene Ingredienzen aus seiner Tasche, die er trotz seiner Übelkeit in den Apotheken Kapstadts besorgt hatte.
    »Sie hören wohl nie auf, Arzt zu sein, was?«
    »Hören Sie irgendwann auf, Detektiv zu spielen?« Das Wort rutschte ihm schärfer heraus, als ihm recht war. »Zu sein,wollte ich sagen. Und werde ich denn nun noch erfahren, wer unser Mörder ist, oder schreiben Sie mir aus Indien?«
    »Sie werden, Doc«, sagte Gowers, als hätte er die Spitze nicht gehört. »Ich brauche nur noch einen Beweis, und der dürfte im Marinearchiv von Kapstadt nicht schwer zu finden sein.«
    »Weihen Sie mich bloß nicht ein«, stöhnte der Arzt, als er sich trotz seiner Übelkeit von seinem Lager erhob, um die Medizin herzustellen, von der er wusste, dass sie an Bord zumindest ein Leben retten konnte.
    »Wo kämen wir hin?«, erwiderte der Investigator. »Sie weihen mich

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