Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
Vom Netzwerk:
und taktvoll den Arm um ihre Schulter und führte sie ein wenig zur Seite – mit sehr ernsthaftem Gesicht, falls sie plötzlich aufsehen sollte, aber sozusagen nach innen strahlend. Seinetwegen könnte von nun an jeden Tag ein toter Matrose über Bord geworfen werden!

51.
    Gowers musterte währenddessen unauffällig die Passagiere. Es waren nur wenige. Außer dem Ersten Offizier waren auch von der Mannschaft nicht viele erschienen, was daran liegen mochte, dass Vivés erst für diese Reise auf der Northumberland angeheuert hatte und aufgrund seiner raschen Erkrankung den meisten Seeleuten fast unbekannt geblieben war.
    Kapitän Radcliffe zeigte sich immerhin auf Deck, wenn er auch die Mütze nicht abnahm, als sie Louis’ Überreste ins Meer hinabließen. Vermutlich war er froh, dass ihm die Leichenrede für den allen weitgehend unbekannten Koch erspart blieb, schließlich hatte man auf den Bahamas diesen verdammten Prediger an Bord genommen.
    Van Helmont stand in der Nähe des immer noch unsäglich peinlich berührten Braddock und sah seinen unglücklichen jungen Kollegen nicht an, sosehr dieser auch seinen Blick suchte.
    Woher hätte er denn wissen sollen, dass Tote bisweilen noch Stunden nach ihrem Hinscheiden derart lebhafte Geräusche von sich geben können? In welchem Lehrbuch stand das? Welcher Professor hatte das erwähnt?
    Gut, die Wiederbelebungsversuche, bei denen Van Helmont
ihn überrascht hatte, hätten weniger aufgeregt ausfallen können. – »Was, um Himmels willen, tun Sie da?«
    »Er lebt! Er lebt! Er hat … eben hat er noch gelebt!«
    Braddock hatte das Gefühl, dass das ganze Schiff von dem peinlichen Vorgang wusste, obwohl Van Helmont seine ärztliche Schweigepflicht gnädig auf das Verhalten seines jungen Kollegen ausgedehnt hatte. George hatte es natürlich herumerzählt, aber George wusste Gott sei Dank auch nicht so genau, wie kläglich falsch die letzte Diagnose des Schiffsarztes und wie lächerlich seine daraufhin erfolgte Behandlung gewesen war. So wurde Braddock in der britischen Flotte also nicht berühmt als »der Mann, der furzende Leichen küsst«.
    Reverend Parker machte seine Sache so gut, wie es unter diesen Umständen zu erwarten war. Sprach, selbst noch weiß um die Nase vor Reiseübelkeit, viel vom Seemannslos, den Tiefen des Meeres, der Weite des Himmels und der Sinnlosigkeit menschlichen Strebens über und unter beidem. Als er die Notwendigkeit rechtzeitiger Umkehr von den Pfaden irdischen Wandels erwähnte, sah er allerdings nicht den Toten in seinem Leichentuch an, sondern den Mann, der ihm in Nassau so jäh aus einem Bordellfenster in den Nacken gesprungen war wie der Leibhaftige.
    Gowers wich seinem Blick aus, der Mann ging ihm auf die Nerven. Dabei entdeckte er den hageren Inder, der mit verschränkten Armen am Heck des Schiffs stand und das Geschehen verfolgte, ohne eine Miene zu verziehen. Jedenfalls war auf die Entfernung nichts dergleichen auszumachen.
    Kurze Zeit später, Louis Vivés war vermutlich noch nicht am Grund des Atlantiks angekommen, entzündete der Investigator Van Helmonts Zigarre, was der Arzt sich mit einem herablassenden »Danke, mein Junge!« gefallen ließ, und steckte sich dann selbst eine ins Gesicht. Paffend standen sie
an der Reling und versenkten die Blicke einträchtig im Horizont.
    »Also Arsen, wie?!«, sagte Gowers, um die endgültige Versöhnung einzuleiten.
    »Jawohl. Ja. Seit mindestens vier Wochen«, bestätigte der Arzt.
    Gowers lächelte. »Was würde ich bloß ohne Sie machen?!«
    Van Helmont grinste durchaus freundschaftlich, sagte aber ungewöhnlich grob: »Ich nehme an, Sie würden schon lange die kleine Thompson vögeln!«
    Gowers lachte, obwohl hier sein wunder Punkt berührt wurde, und bereute das Lachen auch gleich, denn aus den Augenwinkeln hatte er eine kleine Gruppe schwarz gekleideter Gestalten bemerkt, der zu begegnen er bisher erfolgreich vermieden hatte. Reverend Parkers Gattin und seine fünf Kinder standen versetzt hintereinander wie ein dunkles Netz, in dem sich jede zufällig vorbeischwebende Heidenseele fangen musste. Auf Gowers wirkten sie eher wie ein griechischer Tragödienchor hinter dem Chorführer, der das Lachen sofort auf sich und seine Predigt bezogen hatte, da er, wie alle religiösen Fanatiker, von der eigenen Wichtigkeit am nachhaltigsten überzeugt war.
    »Sie lachen, Sir?«, giftete er. »Sie lachen auf einer Beerdigung! Lachen Sie über den Tod oder über das Wort Gottes?«
    Gowers blickte den

Weitere Kostenlose Bücher