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Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition)

Titel: Tod auf der Northumberland: Roman - Ein Fall für John Gowers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Twardowski
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einer mit dir sieht.« Eden fasste den Schiffsjungen hart am Kragen. »So, das willst du nicht? Und ich will dich heute Nacht in meiner Kabine sehen …«
    Der Lord musste den Jungen sofort wieder loslassen, weil in diesem Moment der Familienkonvoi der Parkers an ihnen vorüberzog und im Gänsemarsch unter Deck verschwand. Eden war jetzt nicht mehr gewalttätig, aber er lächelte böse. »Wenn du nicht kommst, laufe ich dir für den Rest der Reise hinterher, egal wo du bist und egal was du tust. Und mir ist scheißegal, wer das sieht, mein kleiner Liebling!«
    Er drehte sich abrupt um und ließ einen verwirrten, zornigen
George Barclay zurück. Der klopfte gegen Mitternacht nur ein einziges Mal an Edens Kabinentür, nachdem er sich so unauffällig wie möglich zum Heck geschlichen hatte.
    »Herein!«
    Der Lord trug einen seidenen Morgenmantel, rauchte und erhob sich von seinem zerwühlten Bett, als George hereinschlüpfte.
    »Also, was willst du?«
    Eden trat leicht schwankend dicht an den Schiffsjungen heran und küsste ihn auf den Mund, ohne ihn ansonsten irgendwo zu berühren. George erwiderte den Kuss nicht, ließ ihn sich aber gefallen. Der weiche fremde Mund, die tastende Zunge schmeckten nach Tabak und Alkohol. Er sah, dass der große Spiegel auf das Bett gerichtet war, und fragte sich wieder, warum Eden ihn hergerufen hatte. Der Spiegel hatte sonst immer den Abschluss und Höhepunkt seiner perversen Spiele markiert, niemals ihren Beginn.
    »Nimm dir was zu trinken!«
    »Warum? Sag endlich, was du willst.«
    Eden setzte sich wieder auf das Bett, seine tiefliegenden Augen waren gerötet, seine Lippen zitterten. »Wer fickt dich jetzt eigentlich? Thompson oder der alte Quacksalber? Oder beide?«
    »Mich fickt keiner mehr, auch du nicht!« George richtete sich hoch auf und machte Anstalten, wieder hinauszugehen.
    »Überleg dir das gut«, sagte Eden und wirkte ernsthaft besorgt. »Du brauchst bald wieder einen Beschützer. Thompson ist morgen früh vielleicht schon tot. Oder er landet im Gefängnis.«
    »Wieso?«
    »Das weißt du nicht? Er duelliert sich mit diesem Esel, Carver!«
    Obwohl George, der sein Gegenüber für ziemlich betrunken hielt, es nicht bemerkte, beobachtete Eden jede Regung des Jungen und vor allem sein Gesicht. Das blieb erstaunlich gleichgültig.
    »Er wird seine Gründe haben.«
    »Nein, Carver hat ihn gefordert. Heißt es jedenfalls.«
    »Dann wird der seine Gründe haben!«
    »Genau die möchte ich kennen.«
    »Und woher soll ich die wissen?« George antwortete jetzt schon nicht mehr trotzig, sondern beinahe spöttisch, als sei er über Nacht erwachsen geworden.
    Eden stand auf und kam mit deutlich festeren Schritten als vorher auf ihn zu. Etwas blitzte in seinen Augen. »Halt mich nicht zum Narren, mein kleiner Freund! Ich weiß genau, dass du für ihn herumschnüffelst.«
    Mit einer blitzschnellen Bewegung fasste er nach der Kehle des Jungen, aber George hielt seine Hand fest, zog sie langsam herunter. Für Sekunden standen sie so, hielten sich, kämpften stumm, einhändig. Dann riss Eden seine Hand zurück und drehte sich, nun wieder schwankend, zum Bett um.
    »Ich warne dich, ich lass mir nichts mehr gefallen!«, sagte George.
    »Du hast mir wehgetan!«, erwiderte der junge Lord weinerlich. »Da!«
    Er ließ seinen Morgenmantel fallen und stand nackt vor dem Schiffsjungen. Eine blasse, blaugrüne Spur zog sich auch jetzt noch von seiner rechten Schulter bis in die Mitte des breiten Rückens, obwohl seit der Äquatortaufe schon mehr als eine Woche vergangen war. Eden lächelte wieder, sah sein Opfer über die Schulter hinweg an. »Es hat dir gefallen, nicht wahr?!«
    George sagte kein Wort mehr. Sah nur noch zu, wie der gut
gewachsene, bis auf sein boshaftes Puttengesicht sogar hübsche und dabei erstaunlich muskulöse junge Mann zu einem seiner hohen Schrankkoffer ging und eine dicht zusammengerollte lederne Peitsche hervorholte. Mit einer eleganten Bewegung entrollte er sie vor dem Jungen. Der Stiel lief in den Kopf einer Schlange aus.
    »Und es wird dir wieder gefallen!«, sagte Lord Eden und rückte den Spiegel zurecht, der sich ein wenig verschoben hatte.

98.
    Er hatte erst eine Frau so sehr geliebt, dass ihm das Atmen wehtat, und hielt diese Sonne über seinem Leben für untergegangen, seit Deborah gestorben war. All das Geschwätz von der anderen Hälfte der Seele, Lieder, Gedichte – er verabscheute es, weil er wusste, dass jedes Wort wahr ist, aber auch, weil die wenigsten

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