Tod auf der Piste
altmodischen Skidress an, eine Startnummer umgebunden, und seine Skier seien auch museal.
»Des san koane Carver«, beschloss er seinen Bericht.
»Aha«, meinte Irmi. »Sonst noch was?«
»Ja!« Das kam wie eine Gewehrsalve. Sailer strahlte. »I kenn den.«
»Ach!«
»Ja.«
»Und, Herr Sailer?«
»Das ist der Ernstl.«
»Ernstl und wie weiter?« Irmi gab sich alle Mühe, dem Kollegen nicht an die Gurgel zu gehen.
»Ja, der Ernst, der Schuilehrer.«
»Sehr schön. Der Ernst. Und weiter?«
»Na, der Schuilehrer in Ettal.«
»Lieber Herr Sailer. Wie heißt denn der Schullehrer in Ettal mit Nachnamen? Maier oder Huber oder Petersen?«
»Petersen hoaßt ma bei uns ned!«
»Nein, es sei denn, man ist ein Tourist aus Norddeutschland. Herrgott, Sailer, wie heißt der Mann?«
»Ach so, ja, der schreibt sich Buchwieser.«
»Danke, Herr Sailer.« Irmi atmete tief durch. Sie blickte bergwärts. »Und wie kommen wir da jetzt hin?«
Sailer wies auf zwei Skidoo-Schneeschlitten, auf denen je ein Bergwachtler lümmelte.
»Damit?« Irmi beäugte die Gefährte kritisch. Der ganze Tag hatte schon schlecht begonnen. Aber es blieb ihnen wohl nichts anderes übrig.
Sie saß auf, und Kathi bestieg das andere Höllending. Die beiden Jungs schienen das Ganze wohl als Rennen missverstanden zu haben, außerdem hatte Irmi den Eindruck, dass der eine unbedingt seine Beifahrerin Kathi beeindrucken wollte. Mit sich aufbäumender Front schossen die Skidoos davon. Rums, das war die Bandscheibe.
»So pressiert es auch wieder nicht. Der ist schon tot«, brüllte Irmi ihrem Fahrer zu. Er drosselte das Tempo etwas, und einige weite Waldschleifen später erreichten sie einen kleinen Menschenauflauf. Die Piste war abgesperrt, zwei Bergwachtler mit Walkies hielten eine Skifahrermeute in Schach. Schlingernd kamen die Skidoos zum Stehen.
Die Piste war vereist wie ein Eisstadion, Irmi hätte sich fast hingelegt. Von einem jungen Typen in Basti-Schweinsteiger-Blond an der Absperrung kam der Ruf: »Zwoa Bulletten, jetzt geht’s auf!«
Schnell wie eine Raubkatze war Kathi bei ihm. »Pass auf, Bürscherl! Obacht geben – länger leben. Noch so ’n Spruch – Kieferbruch!« Ihre braunen Augen funkelten, und der Typ machte einen Schritt rückwärts.
Die beiden Frauen traten näher. Oberhalb und unterhalb des Mannes hatte jemand Ski über Kreuz in den Schnee gesteckt, Absicherung einer Unfallstelle. Bloß sah das hier nicht wie ein Unfall aus. Eher wie eine Hinrichtung. Der Mann lag in einer seltsam verdrehten Haltung da, über seiner Schläfe befand sich ein Einschussloch. Blut hatte den umliegenden Schnee getränkt. Sein Gesicht war nicht vollständig zu erkennen, aber es war offensichtlich, dass er seitlich von hinten erschossen worden war.
Er lag nicht weit vom Waldrand entfernt. Irmis Blick glitt an den Bäumen entlang, dann zückte sie ihr Handy. Ihre Anweisungen an die Spurensicherung waren klar und präzise. »Nehmt euch am besten Steigeisen mit«, empfahl sie, ehe sie das Gespräch beendete. »Es ist hier überall arschglatt.«
Ihr Blick ging zurück zum Toten. Dann zu einem der Bergwachtler.
»Habt ihr ’nen Arzt informiert?«, erkundigte sie sich.
»Na, der is maushi. Was soll da ein Doktor?«
Das war wohl wahr, aber den Tod musste dennoch einer feststellen. Sie zog erneut ihr Handy raus. »Der ist zwar mausetot, aber den Doc könnt ihr trotzdem mitbringen.«
Unmerklich schüttelte sie den Kopf, während sie den Toten fixierte. Ihr Blick kreuzte den von Kathi.
»Das sieht echt aus wie ein Kostümfest, oder?«, sagte die.
Ernst Buchwieser trug einen seltsamen Dress und hatte eine Startnummer um, die Zahl siebzehn. Darunter befand sich der Aufdruck Ski-WM 1978 . 1978 – da war Irmi zwanzig gewesen und Kathi noch nicht mal auf der Welt. Damals war Ski-WM in Garmisch-Partenkirchen gewesen, aber weil Skifahren in ihrer Familie kein Thema war, fehlte Irmi jede Erinnerung.
»Warum erschießt hier einer ein skifahrendes Gespenst aus der Vergangenheit, und das an einem Sonntag mitten auf der Piste? Was ist das denn für ein Krampf!«, rief Kathi und sah richtig wütend aus.
Ja, warum? In dieser Gegend wurden eher selten Leute erschossen, vielleicht mal aus Versehen, weil ein kurzsichtiger oder besoffener Jäger einen anderen mit einem Hirsch verwechselt hatte. Aber Jäger trugen Bundhosen und Jägergrün, kein Ski-Outfit aus Omas Sportmottenkiste.
»Wer hat ihn denn gefunden?«, fragte Irmi den Bergwachtler.
»Der da.« Der
Weitere Kostenlose Bücher