Tod auf der Piste
er da so lag und das viele Blut, da ist ihnen gekommen, dass der erschossen worden sein könnte. Sie haben die Unfallstelle abgesichert und die Polizei angerufen.«
»Haben sie ihn angefasst?«
»Basti sagt, nein.«
»Haben die beiden denn jemanden gesehen?«
»Das hab ich auch gefragt. Es sind natürlich noch andere Skifahrer des Weges gekommen, einige sind auch stehen geblieben. Die stehen immer noch da, dieses sensationslüsterne Pack. Andere sind weitergefahren, wahrscheinlich, weil sie Angst hatten, was helfen zu müssen. Typisch, oder? Entweder sind die Menschen voll geil auf Unfälle oder aber Schisser ohne Ende.«
Wenn auch verbal wenig feinsinnig, war das für Kathis Verhältnisse fast schon gesellschaftskritisch-philosophisch, dachte Irmi leicht amüsiert.
»Das heißt, der Mörder hätte seelenruhig davonschwingen können inmitten von anderen Deppen, die sich freiwillig diese rutschigen Latten unter die Füße schnallen?«, fragte sie eher rhetorisch, denn die Antwort war klar.
Kathi nickte: »Ich hätte heute früh gar nicht aufstehen dürfen. Hätte ich gewusst, dass das so ein Krampftag wird. Buchwieser. Ausgerechnet der. Ein stadtbekannter Querulant wird erschossen. Ach was, ein bayernweit bekannter Querulant. Weißt du, wie viele Verdächtige es da gibt? Halb Garmisch! Und der gesamte Deutsche Skiverband wird ihn gehasst haben, oder.«
Wieder schlingerten die Skidoos heran, diesmal mit der Spurensicherung an Bord. Der Chef der Truppe sah aus, als hätte er Zahnweh oder Schlimmeres.
»Willst du etwa sagen, dass wir hier auf dem Eis rumrutschen sollen?«
»Hasibär!« Irmi lächelte ihn an. Der Kollege hieß Bernd Hase und hasste den Spruch »Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts« abgrundtief, weswegen er bei Irmi eben Hasibär hieß. »Ich hatte dir nicht leichtfertig zu Steigeisen geraten. Glaub mir halt mal was!«
Er seufzte. »Glaub einer Frau, und du fällst ab vom Glauben.« Er seufzte nochmals. »Volles Programm?«
»Ja, wir brauchen den Schusswinkel. Woher wurde geschossen? Die Spuren in der Umgebung. Wer war zur Tatzeit am Berg? Und so weiter und so fort.«
Inzwischen war auch der Arzt nähergetreten, so elegant, als wandle er immer nur auf dem Eis herum. Der Figur nach ein sehniger Bergfex, der wahrscheinlich nach dem Dienst mal schnell eine Siebenerwand kletterte oder rasch noch tausend Höhenmeter joggte. Er hatte extrem blaue Augen, und Irmi fragte sich, ob wohl Bergsteiger immer so blaue Augen hatten.
»Was wollts von mir?«, fragte er. Nicht unfreundlich, eher desinteressiert.
»Der Bürokratie Genüge tun, oder.« Kathi strahlte ihn an und löste das hochgesteckte Haar, fuhr sich durch die langen Strähnen und verzwirbelte das Ganze wieder wie zufällig am Hinterkopf.
Er schien für ihre Reize aber nicht empfänglich zu sein. Stattdessen nahm er seinen Rucksack vom Rücken, beugte sich zu dem Mann hinunter und machte ein paar schnelle Handbewegungen. Anschließend schrieb er ein paar Notizen nieder und drückte dann Kathi das obligatorische Blatt in die Hand: »Kein natürlicher Tod. War’s das?«
Irmi nickte. »Ja, danke. Ich lass Sie mit dem Skidoo wieder runterbringen.«
»Nicht nötig.« Er zog aus seinem Rucksack ein Paar sogenannte Figln, die er in Affengeschwindigkeit anschnallte, um dann in zwei weiten Bögen von dannen zu zischen. Seine Haltung war perfekt, obwohl es auf dem Eis wahrscheinlich selbst mit scharf geschliffenen Kanten von Carvern schon schwer war, vernünftig auszusehen. Aber mit diesen Firngleitern?
Selbst Kathi war sprachlos, vor allem weil er sie so dermaßen ignoriert hatte – das passierte ihr wohl eher selten. Irmi wandte sich an den Hasen, der gerade mit seiner Nikon werkelte.
»Hasibärchen, kann der Tote weg? Habt ihr so weit alles?«
»Ja, ich bin versucht zu sagen: leider. Der Schuss muss vom Waldrand gekommen sein, ich freu mich schon richtig auf diese Eiskletterei…«
Irmi lachte. »Wann hören wir von dir?«
»Wenn wir fertig sind!«
Irmi verkniff sich einen Kommentar, veranlasste, dass Buchwieser in einem Rettungsschlitten ins Tal gebracht wurde, und bestieg den einen Skidoo, nicht ohne den Fahrer zu warnen: »Wenn du wieder fährst wie eine Sau, lass ich dich verhaften.«
Unten angekommen, stiegen die beiden Kommissarinnen gerade von den beiden Höllenmaschinen, als Kathis Handy ging.
Irmi lauschte dem Gespräch mit einem Ohr.
»Jetzt beruhig dich doch, Mama… Ja, Kruzifix, ich bin in Garmisch, wo sonst… Mama,
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