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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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musste.
    »Frau Roswitha Eitzenberger?«
    »Ja?«
    »Irmi Mangold von der Polizei. Darf ich reinkommen?«
    Frau Eitzenberger nickte und schien keineswegs überrascht zu sein. Sie führte Irmi in eine Wohnküche, die wieder den Werkstoff Holz in Perfektion umgesetzt hatte. Die helle Küchenzeile hatte dunkle Intarsien, die schlichte Eckbank ebenfalls. Der ganze Raum spielte mit klaren Formen und dem Kontrast von dunklem und hellem Holz.
    »Ist das schön! Ein Werk Ihres Sohnes?«
    »Ja, Flori hat nach seiner Ausbildung als Zimmerer in Rosenheim noch Holzbau studiert, aber eigentlich ist er am liebsten Möbeldesigner. Kaffee?«
    »Gerne.« Diesmal wurde der Kaffee wie bei ihr zu Hause ganz traditionell mit heißem Wasser und im Porzellanfilter aufgebrüht. Roswitha Eitzenberger stand mit dem Rücken zu Irmi. Sie war mittelgroß, etwas mollig, trug Jeans und einen Wolljanker.
    »Frau Eitzenberger, Sie wissen vom Tod des Ernst Buchwieser?«
    »Sicher.«
    Irmi wartete eine Weile, aber Frau Eitzenberger schwieg.
    »Sie sind die Erste, die nicht sagt, wie betroffen sie ist.«
    »Weil ich nicht betroffen bin.«
    »Empfinden Sie so etwas wie Genugtuung? Ernst Buchwieser stirbt dreißig Jahre später an der Stelle, an der Ihr Mann verunglückt ist.« Es war allmählich an der Zeit, die höfliche Konversation einzustellen.
    Roswitha Eitzenberger drehte sich um, stellte zwei dickbäuchige Keramiktassen auf den Tisch, Milch und Zucker, und schenkte den Kaffee ein.
    »Genugtuung?«, wiederholte Irmi.
    Frau Eitzenberger schüttelte den Kopf. »Nein, aber ich war erschrocken. Die Erinnerungen waren auf einmal wieder da.«
    »Erinnerungen an damals? An die Fünf Freunde?«
    »Die Fünf Freunde? Das waren zwei Profilneurotiker und ihre Lakaien!«
    »Sie meinen, Ernst und Quirin waren die Profilneurotiker und die anderen drei die Lakaien?«, fragte Irmi.
    »Ganz genau, und Kasperletheater war das dazu. Die ergingen sich in endlosen Diskussionen und in Weltrettungsgesprächen. Aber mit der Realität hatte das alles nichts zu tun.«
    »Mit Ihrer Realität, oder?«
    »Jede Realität ist immer nur die eigene. Ich hatte ein Kind, ich hatte durchwachte Nächte und meine Arbeit als Floristin. Mein Leben bestand aus Stillen, Windeln, Kindergarten und Tagen, die immer zu wenig Stunden hatten. Ich hatte eine Schwiegermutter, der ich nichts recht machen konnte. Das war die Realität, da musste ich nicht Nicaragua retten. Flori hatte auch ein Kind, aber er hat es vorgezogen, diesem Rattenfänger Ernst hinterherzurennen.« Sie klang wütend. Bis heute war sie wütend.
    Das war gut, Rattenfänger! Das charakterisierte Ernst Buchwieser bisher am besten, fand Irmi. »Das heißt, Sie hatten mit der Clique nie etwas zu tun?«
    »Es gab schon mal Feste, auf die ich mitgegangen bin, ich mochte Hubert wirklich gern, der war irgendwie bodenständig. Aber mein Leben war eben wirklich ein ganz anderes als bei den Jungen. Es fing schon damit an, dass ich um elf todmüde war, da sind die ja erst losgezogen in ihre Kneipen.«
    »Entschuldigen Sie, aber war das Kind geplant?«, fragte Irmi.
    »Nein, natürlich nicht. Ich wollte später einen eigenen Blumenladen eröffnen oder eine Zusatzausbildung in Landschaftsgärtnerei machen. Ich wollte kein Kind mit zwanzig. Aber ich hatte niemanden außer Flori. Meinen Vater hab ich nie gekannt, und meine Mutter war Alkoholikerin und hatte nicht einen Funken von Interesse an mir. Da kriegt man das Kind, da will man es selber besser machen.«
    Irmi verstand die Frau. Das konnte sie nachvollziehen. »Warum haben Sie denn dann überhaupt geheiratet?«
    Sie lachte trocken. »Na, weil Theresia das angeordnet hatte.«
    »Floris Mutter?«
    »Ja, und einer Theresia Eitzenberger widersprach man nicht.«
    »Sie war die Patriarchin?«
    »Darauf können Sie wetten. Ich war Luft, ich war einfach nur lästig. Sie fand es völlig in Ordnung, dass Flori durch Abwesenheit glänzte. ›Kinder und Haus san Weiberarbeit‹, pflegte sie zu sagen. ›Mander ziehen in die Welt.‹ Tolle Welt, in die Flori da zog.« Sie lachte wieder kurz auf.
    »Hat sie deshalb auch die Vermisstenanzeige aufgegeben? Weil sie der Chef war?«, fragte Irmi.
    Ihr Blick verdüsterte sich. »Schauen Sie, ich war es ja gewohnt, dass der Flori immer erst in den frühen Morgenstunden nach Hause kam. Ich war es auch gewohnt, dass er zuviel soff zusammen mit seinen tollen Gymnasialfreunden. Intelligenz säuft, Dummheit frisst, das war so ein Spruch von Quirin Grasegger. Na,

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