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Tod auf der Piste

Tod auf der Piste

Titel: Tod auf der Piste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nicola Förg
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jedenfalls war er an dem Morgen gar nicht da, und Theresia fuhr mit dem Auto zu den anderen vier Jungs und zu Maria, glaub ich.«
    »Und die konnten nichts sagen?«
    »Nein, und dann wurde die Polizei eingeschaltet…«
    »…die ihn zwei Tage später fand?«, ergänzte Irmi.
    »Ja.« Frau Eitzenberger schluckte schwer.
    Irmi trank etwas von dem Kaffee und sah sich noch mal in dem Zimmer um, das so viel Stil und heimelige Ruhe ausstrahlte. Hier hätte man lange einfach so dasitzen können – wenn man nicht einen Fall zu lösen hätte und immer in den Wunden anderer hätte stochern müssen.
    »Was ist 1978 wirklich passiert?«, fragte sie dann.
    »Das wüsste ich auch gerne.«
    »Muss ich das so verstehen, dass Sie die ganze Geschichte anzweifeln?« Irmi runzelte die Stirn.
    Roswitha Eitzenberger nickte. »Ja, und zwar bis heute. Flori wäre nie allein nachts ein Rennen gefahren. Was für ein Quatsch! Ich bin mir sicher, dass die anderen dabei gewesen sind.«
    »Haben Sie sie gefragt?«
    »Natürlich, alle. Ich habe gefragt, gedroht, gefleht. Vor allem Maria, weil ich dachte, dass sie als Frau mich am ehesten verstehen würde. Doch auch bei ihr war nur eine Mauer des Schweigens. Ich war mir sicher, dass die alle lügen. Aber gegen die war nicht anzukommen.« Da war sie wieder, diese Wut.
    »Sie sind dann weggezogen?«, erkundigte sich Irmi.
    »Ja, ich konnte das alles nicht mehr aushalten. Ich bin mit dem Bub nach Tirol, ich hatte eine neue Beziehung, die aber auch gescheitert ist. Ich war einfach nicht so weit. Ich war zu verletzt. Ich vertraute niemandem mehr. Ich hatte fast eine Art Verfolgungswahn.«
    »Und dann sind Sie trotzdem zurückgekommen?«
    »Ja, das grenzte fast an ein Wunder. Theresia Eitzenberger stand bei mir in Landeck vor der Tür. Sie bat mich zurückzukommen. Weil sie ihren Enkel vermisste und weil sie ihm den Betrieb überschreiben wollte.«
    »Einfach so?«, fragte Irmi überrascht.
    »Nein, nicht einfach so. Ich habe lange überlegt. Aber Florian hat nur von der Oma geredet, vom Sägewerk und von den Maschinen. Er hat immer wieder gesagt, dass Holz einfach am besten riecht. Ich wollte nicht so egoistisch sein und ihm das alles vorenthalten. Also habe ich meine Wohnung in Landeck aufgegeben.« Sie lächelte. »Na ja, nicht gleich, ich hab sie noch drei Monate behalten. Dann bin ich heim. Das Komische war, es fühlte sich wirklich an wie daheim. Ein Daheim mit all den alten Gesichtern, all den alten Problemen, aber eben doch daheim. Verstehen Sie?«
    Irmi nickte. Das verstand sie – nur zu gut. »Wie kamen Sie denn mit Ihrer Schwiegermutter zurecht?«
    »Überraschend gut, sie war nicht mehr dieselbe. Sie hatte ihre polternde Art verloren, sie war nicht mehr die Patriarchin. Es war, als sei mit dem Tod ihres Sohns auch ihre Kraft gestorben. Sie muss in diesen fünf Jahren durch viele Höllen gegangen sein. Das Schönste für sie war, dass Florian diese Begeisterung für Holz hatte, und zwar immer schon. Wenn es einen Jungen gab, bei dem klar war, was er später mal machen würde, dann war es Florian.«
    »Das klingt nach einem versöhnlichen Ende. Hat der Florian es denn damals verstanden, dass sein Vater gestorben ist?«
    »Wie ein Fünfjähriger das eben verstehen kann. Wir haben halt erzählt, dass der Papa im Himmel auf einer Wolke sitzt und so weiter. Als Florian die Zimmererlehre fertig hatte, war er neunzehn. Da hat er eines Tages wissen wollen, wer sein Vater ist. Also ich meine, was für ein Typ. Wir haben alte Fotos angesehen, und Sie werden lachen, es war das erste Mal seit fünfzehn Jahren, dass ich sie mir angesehen habe.«
    Irmi war nicht zum Lachen. »Das kann ich nachvollziehen. Wie war dieses Eintauchen in die Vergangenheit?«
    »Erst schmerzlich, aber hinterher war ich wie befreit. Ich hatte meinen Frieden mit Flori gemacht, und ich war dankbar, dass er mir letztlich ja doch ein Zuhause geschenkt hat.«
    »Und Florian?«
    Sie lächelte ein bisschen wehmütig. »Er ist wirklich talentiert. Er hat eine ganze Reihe von Preisen für seine Arbeiten bekommen. Er ist ein sensibler Bursche, halt ein Kreativer mit allem, was das bedeutet. Er kann wie manisch arbeiten, und auf einmal kommt er ins Zweifeln, er liebt und hasst, sein Leben war lange eine Achterbahnfahrt. Er ist jetzt Mitte dreißig, langsam wird er ruhiger.«
    Irmi lachte kurz auf. »Ja, bei den Männern dauert das immer etwas länger mit dem Erwachsenwerden. Das heißt, so einfach war es für ihn nicht, diesen Unfall

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