Tod den Unsterblichen
übertragen, aber wir wissen nicht warum.«
Cornut sagte: »Ich auch nicht, aber ich kann es erraten.« Er erklärte Carls Freizeitinteressen und die endlose mühselige Arbeit, die er dafür übrig hatte. »Ich bin nicht ganz sicher, was er gerade trieb, aber ich weiß, daß es etwas damit zu tun hatte, Abdrücke von geometrischen Figuren zu erhalten – Sterne, Kreise und so etwas. Warum? Ist es ihm endlich gelungen, einen zu erhalten?«
»Nicht genau.« Sergeant Rhame öffnete ein Päckchen und reichte Cornut einen glänzenden Abzug. »Auf allen Negativen war nichts zu sehen, außer auf einem. Diesem hier. Können Sie etwas damit anfangen?«
Cornut studierte es. Es schien das Foto eines Zeichens oder ein Probedruck zu sein. Es war nicht sehr scharf, aber es ließ sich deutlich erkennen, was darauf stand. Er grübelte eine Weile, dann schüttelte er leise den Kopf.
Die Buchstaben auf dem Bild lauteten schlicht:
Du verdammter alter Narr
12
Es wehte ein frischer Wind, und die unter dem Texas gespannten Kabel brüllten beim Vibrieren wie Stiere. Die Preßluftgeneratoren ratterten, heulten und dröhnten. Locilles Bruder war so daran gewöhnt, daß er sie gar nicht bemerkte.
Er fühlte sich nicht besonders gut, aber er pflegte das zu tun, was seine Eltern von ihm erwarteten, und sie erwarteten, daß er sich die Universitätssendung aus dem Seminar seiner Schwester ansah. Es war augenblicklich Cornuts Seminar, und Roger schaute mit höflicher Unwissenheit zu, wie der Professor den Wilson-Lehrsatz erläuterte. Er beobachtete mit größerem Interesse die tanzenden Mädchen und Trickfiguren, aber alles in allem war es eine enttäuschende Sendung. Die Kamera streifte nur zweimal das Studio-Auditorium, und in beiden Fällen konnte er keinen Blick von Locille erhaschen.
Er berichtete es seiner Mutter, warf einen letzten Blick auf die Fahne, die Locille ihm mitgebracht hatte, und ging zur Arbeit.
Im Laufe des Tages fühlte sich Roger immer schlechter. Erst hämmerte sein Kopf, dann taten ihm die Glieder weh, dann überkam ihn ein unwiderstehlicher Brechreiz. Rogers Job trug dazu bei, er verbrachte den ganzen Tag in einer hüfthohen, stinkenden Flüssigkeit, die sich aus Salzwasser, Fischlymphe und Fischblut zusammensetzte.
Gewöhnlich störte es ihn nicht (wie nichts ihn besonders störte). Heute aber war es anders. Er stützte sich mit einer Hand auf die Stahlplatte seines Tisches und schüttelte den Kopf heftig, um ihn klar zu bekommen. Er war gerade von seinem hastigen Ausflug zur Toilette zurückgekehrt, wo er sich reichlich übergeben hatte. Jetzt war er wieder nahe daran, nochmals hinzustürzen.
Am Ende des Tischs rief der Sortierer: »He, Roger! Du hältst die Arbeit auf.«
Roger rieb sich den Nacken und murmelte etwas Unverständliches, auch für ihn selbst. Er machte sich wieder an die Arbeit, weil er mußte; die Fische stapelten sich vor ihm.
Es war die Aufgabe des Sortierers, die Weibchen der Atlantischen Lachszucht von den Männchen zu trennen. Die Männchen wurden auf einer Gleitbahn in einen raschen und ehrlosen Tod befördert. Aber die Weibchen enthielten während der Laichzeit etwas zu Kostbares, als daß es in dem Gemisch aus Eingeweiden und Gräten zu Fischmehl verarbeitet werden durfte. Das war Rogers Aufgabe – Rogers und einiger Dutzend anderer, die wie er an Tischen standen. Erst mußte er das zappelnde Weibchen mit einer Hand beim Schwanz packen und ihm mit der anderen Hand den Schädel möglichst völlig einschlagen. Dann nahm er es in beide Hände und hielt es, den Bauch nach oben, über den Tisch seinem Partner hin, der es mit einem langen, fettigen Messer aufschlitzte und den Eiersack freilegte. (Ziemlich oft verfehlte das Messer sein Ziel. Rogers Job war nicht begehrt.) Nach einer schnellen Drehbewegung rutschten die Eier hierhin, glitt die aufgeschlitzte Leiche dahin, und Roger ergriff den nächsten Fisch. Manchmal wehrte sich der Fisch verzweifelt, was für einen Mann mit Fantasie unangenehm war; sogar die stumpfsinnigsten ekelten sich allmählich vor dieser Arbeit. Roger verrichtete sie schon seit vier Jahren.
»Na los, Roger!« Der Sortierer schrie ihn nochmals an. Benommen starrte Roger ihn an. Zum erstenmal wurde er sich des ständigen Geratters, Geklappers, Getöses bewußt, das in der Fischfabrik auf der alleruntersten Ebene herrschte. Er öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann rannte er davon. Er erreichte die Toilette mit knapper Not.
Eine Stunde später
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