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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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den eingeschnitzten Initialen. Hier
     würde er nach dem Weg fragen.
    Hinter dem Billardlokal verlor sich die Straße zwischen Bauruinen aus Hohlblocksteinen und schließlich in einer sumpfigen
     Senke. Fletcher verharrte einen Moment in der Tür und fragte sich, ob er gerade einen Fehler machte. Er hörte das Klirren
     von Flaschen und leises, betrunkenes Gelächter. Doch als er eintrat, stellte er fest, dass der Alkoholdunst vollkommen durch
     die hoch oben in den Wänden eingesetzten, weitgeöffneten Fenster abzog.
    Beleuchtet von Neonlampen, die von der Decke herabhingen,standen vier Billardtische im Raum. An den Wänden lange Bänke, eine Jukebox, wie er sie seit seiner Kindheit nicht mehr gesehen
     hatte, ein stumm gestellter Fernseher und eine Theke mit einer Mikrowelle auf dem Ehrenplatz. Das Dutzend Gäste betrachtete
     ihn durch Rauchwolken hindurch, ohne die Unterhaltung abzubrechen.
    Fletcher musterte seinerseits die Versammelten. Plötzlich fiel ihm ein Satz aus dem Buch in Jakes Zimmer ein:
Nach heftigen Kämpfen unterwarfen die Normannen die Angelsachsen und vertrieben die Aufständischen in das Sumpfgebiet im Nordwesten.
    Hier in Wittris schien die Zeit stillzustehen. In diesem Raum waren weder Schwarze noch Asiaten noch jemand, der auch nur
     annähernd südländisch aussah. Russen gab es hier mit Sicherheit auch nicht. Die Billardspieler waren alle männlich, trugen
     Jeans und altmodische Fußballtrikots und hatten fast alle das gleiche glatte, braune Haar und kantige Kinn wie Debbie in Thinbeach.
     Doch während Debbie Lebendigkeit ausstrahlte, wirkten diese Männer müde und erschlafft. Am nächststehenden Billardtisch hörte
     ein Mann in den Vierzigern, dessen Augen wie frisch tätowiert aussahen, sich Fletchers Bitte auf sein Queue gestützt an.
    »Schicker Anzug. Sind Sie von der Polizei?«
    »Ja. Wo liegt die Straße?«
    Der Mann lächelte. Tiefe Längsfalten gruben sich in die vom Qualm im The Hereward über die Jahre ausgetrocknete Haut seiner
     Wangen.
    »Tja. Wenn hier ein Polizist auftaucht, geht es immer um irgendeine Leiche. Wir haben das mit Ron Teversham gehört.«
    Plötzlich verstummten die Gespräche im Billardsaal. Ein Dutzend tintenschwarzer Augenpaare richtete sich durch die Rauchschwaden
     hindurch auf ihn. Die Hände, in denen kein Billardqueue steckte, hielten Flaschen umklammert.
    »Sie kannten Ron, nicht wahr?«, fragte Fletcher.
    Der Spieler stieß eine Qualmwolke aus und nickte. »Ron hat hier gespielt. Nicht oft, aber er kam ab und zu her.«
    »War er gut?«
    Der Mann lächelte. »Er hielt sich für gut. Der gute Ron hat sich was drauf eingebildet, dass er da oben in Thinbeach arbeitete.
     Das was schon immer die Art von Thinbeach.« Er beugte sich über den Tisch und spähte am Queue entlang. »Das Land hat einmal
     uns gehört – wissen Sie das, Polizist?«
    »Welches Land?«
    »Die ganzen Felder da drüben, die guten Böden. Die Normannen haben es uns damals gestohlen. Kniffliger Stoß hier.«
    »Ich würde über Bande spielen, aber ich spiele nicht oft. Die Normannen, das ist übrigens tausend Jahre her.«
    Der Mann führte ganz plötzlich seinen Stoß aus, versenkte den Ball in der Ecktasche und blieb dann über die Tischfläche gebeugt
     stehen. Oben durch das Giebelfenster schoss ein kleiner Vogel in den Saal und flatterte hilflos im Kreis. Der Mann hob den
     Kopf und sah ihm zu.
    »Tausend Jahre, wirklich, Junge? Und da fragen die Leute, warum wir nicht zurechtkommen.«
    Der Vogel schaffte es durchs gegenüberliegende Fenster nach draußen, und die Unterhaltung begann von neuem. Jemand ließ einen
     Song aus der Jukebox laufen: Bonnie Tyler. Die Männer beugten sich wieder über die Tische. Fletchers Gesprächspartner richtete
     sich auf und sprach zum Fenster mit seinem quadratischen Himmelsausschnitt: »Am Supermarkt vorbei, nehmen Sie die lange Straße
     ganz durch die Stadt. Beim Gemeindezentrum links abbiegen.«
     
    Die Wegbeschreibung war tadellos.
    Teversham hatte im besseren Teil der Stadt gewohnt, wo die meisten Häuser in Privatbesitz waren. Doch der Anblickder alten Autos in der Straße und der schindelverkleideten Reihenhäuser vermittelte Fletcher eine Vorstellung von Ron in seinen
     letzten Lebensjahren: der einsame Wachmann-Hausmeister, der sich in dieser Ecke von Wittris, knapp außerhalb des Sozialwohnungsghettos,
     dem Rentenalter näherte.
    Ein kurzer, gekiester Weg führte zu Tevershams Tür. Das Haus war heruntergekommen, mit

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