Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman
abblätternder Farbe und wild wucherndem
Unkraut davor. Fletcher wusste nicht genau, wonach er eigentlich suchte – aber er war überzeugt, dass Teversham in dieser
Thinbeach-Sache eine Rolle gespielt hatte. Vielleicht hatte er seinem Freund Jake geholfen, den eigentlichen Grund für Olgas
Anwesenheit herauszufinden.
Fletcher schob den Schlüssel, den die Verkehrspolizisten Tevershams Leiche abgenommen hatten, ins Schloss. Dann hielt er inne.
Der Zylinder knirschte so hohl, als wäre das Schloss vor kurzem aufgebrochen worden. Als die Tür aufging und er unvermittelt
in Tevershams kleinem Wohnzimmer stand, sah er, dass vor ihm schon jemand da gewesen war.
Das Unterste war zuoberst gekehrt: Jemand hatte die Sofapolsterung herausgerissen, auf dem Boden war alles Mögliche verstreut,
und in der Kochnische lagen die aus den Schubladen geworfenen Küchengeräte neben Tütensuppen und mehreren Flaschen billigem
Whisky auf dem Boden.
Es gab nur einen einzigen Stuhl, der umgekippt auf dem Boden lag, und auf der Resopalplatte der Küchentheke war ein kreisrunder
Abdruck, der Fletcher kurz ins Grübeln brachte. Dann verstand er. Teversham hatte an dieser Stelle gegessen, und zwar allein.
Er hatte über so lange Zeit allein dort gegessen, dass sein Teller das Resopal kreisrund abgewetzt hatte.
Im hinteren Zimmer herrschte die gleiche Verwüstung. Kleider waren überall im Schlafzimmer verstreut, dazwischen eine Handvoll
Männermagazine. Außerdem lag da ein kleinesFläschchen. Fletcher schnüffelte daran und kippte fast um. Flüssiges Billig-Amphetamin aus den Sozialbauten von Wittris: Tevershams
ultimativer Kick.
Der dritte und letzte Raum war ein kleines Arbeitszimmer. Die Schreibtischschubladen hatte man auf dem Boden ausgekippt, doch
die Ordner mit Unterlagen und die wenigen Briefe waren unangetastet geblieben – darunter auch ein noch zugeklebter Umschlag
mit einer neuen Kreditkarte darin.
Die Einbrecher waren demnach keine plündernden Jugendlichen gewesen. Dafür war die Haustür zu geschickt geöffnet worden, und
keiner hatte das Speed, die Pornozeitschriften oder das Plastikgeld angerührt. Doch wer immer hier gewesen war, nach etwas,
das in einem Aktenordner aufbewahrt werden konnte, hatte er nicht gesucht.
Dann vielleicht nach einem bestimmten Gegenstand?
Fletcher stand da und betrachtete die auf dem Boden verstreuten Sachen. Es war trauriger alter Kram, ein Locher, Briefpapier,
Batterien, ein altes Diktiergerät. Er stupste es mit dem Fuß an und hob es dann auf. Solche Geräte hatten die Chefs in den
siebziger Jahren für ihre Diktate verwendet: ein handgroßes Gerät, für das man normale Audiokassetten benutzte.
Dieser Recorder war umgebaut worden.
Das Mikrofon war ausgebaut und an ein langes, ins Gehäuse laufendes Kabel angeschlossen worden. Das Gehäuse selbst war mit
Heftpflaster umwickelt, an dessen Klebefläche noch einige Körperhärchen hingen. Das Ganze war ein improvisiertes Abhörgerät.
Moderne Wanzen passen in eine Gürtelschnalle oder einen Kugelschreiber, aber Teversham hatte sicher weder das Geld noch das
Know-how für so etwas gehabt. Er hatte vermutlich eine geheime Aufnahme machen wollen und war auf einen Trick verfallen, den
er in alten Filmen gesehen hatte: den Kassettenrecorder mit Heftpflaster unterm Arm befestigen unddas Mikrofon unters Hemd stecken. Warum? Was hatte Teversham aufnehmen wollen?
Fletcher drückte auf
Play
und die Spulen quietschten. Er öffnete den Deckel: Das Kassettenfach war leer.
Wer auch immer die Wohnung durchwühlt hatte, dieses Gerät hier hatte er nicht gesucht und hatte es in dem ganzen Kram noch
nicht einmal bemerkt. Hatte der Einbrecher das, was er suchte, gefunden?
Fletcher schaute ins Bad und fand einen grauen Teppich, graue Kacheln und eine Badewanne mit grauem Schmutzstreifen vor. Der
Besucher war ebenfalls hier drinnen gewesen, hatte die Kunststoffverkleidung von der Badewanne gerissen, den Deckel vom Wasserkasten
der Toilette entfernt und den orangefarbenen Schwimmer freigelegt, der zischte wie ein mutierter Fisch.
Fletcher blieb in der Tür stehen und lauschte auf dieses Zischen. Er drehte sich noch einmal um. Der Schwimmer war zwischen
den Wänden des Wasserkastens festgeklemmt. Fletcher griff hinein, holte ihn heraus, und nun schoss das Wasser wieder in den
Kasten. Er schaute sich das Ding in seiner Hand an: Es war in der Mitte auseinandergeschnitten und anschließend wieder mit
Weitere Kostenlose Bücher