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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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ewig leben.«
    Fletcher fuhr los, seine Hände auf dem Steuerrad fühlten sich feucht an. Die Begegnung mit dem Vater eines Unfallopfers sollte
     ihn nicht so mitnehmen. Aber etwas in Olgas Worten und der Art, wie ihre Augen durch ihn hindurchsahen, hatte ihn aufgewühlt.
    Jeder hat irgendetwas, Inspector. Etwas, was er für sich behält. Sie etwa nicht?
     
    Sal Moresby parkte beim Fen Tiger Bite Stop. Bei normalem Wetter bestand die Imbissbude aus einem ausgeschlachteten Wohnwagen
     mit Holzbänken an den Wänden. Bei gutem Wetter kamen draußen noch eine Kabeltrommel und ein im Wind flatternder Sonnenschirm
     dazu. Sal klopfte den Staub von einem Plastikstuhl und setzte sich. Die Durchreiche in der Wohnwagenwand wurde klirrend geschlossen.
    Sie wartete. Am Horizont ragte die alte normannische FestungGiant’s Hill aus den Feldern um Rampton auf. Bald darauf hielt ein zerbeulter Subaru auf dem Parkplatz und der Motor ging
     aus. Ein Mann setzte sich zu ihr.
    »Miss Moresby. Darf ich sagen, dass Sie mehr denn je einer präraffaelitischen Schönheit ähneln?«
    »Oh, danke, Tony. Eher vom Rossetti- oder mehr vom Swinburne-Typus?«
    »Heute, würde ich sagen, Burne-Jones. Das Spätwerk.«
    Tony Olland war ein Mittdreißiger, sommersprossig, stupsnasig und mit Bartstoppeln auf dem vorspringenden Kinn. Bart und Haar
     waren rötlichbraun – zusammen mit dem Namen legte das die Abstammung von einem der sexuell umtriebigen niederländischen Arbeiter
     nahe, die vor dreihundert Jahren nach England gekommen waren, um die Sümpfe von Cambridgeshire trockenzulegen. In dieser Gegend
     nannte man, wie Sal wusste, ein uneheliches Kind bis heute liebevoll einen »kleinen Holländer«
.
    Tony war mit einer Wollmütze und einem Neoprenanzug ausstaffiert. Dabei gab es in Rampton gar keinen Wassersport. Wenn Tony
     sich nicht mit der englischen Kunst des neunzehnten Jahrhunderts befasste, trieb er sich in der örtlichen Kleinkriminellenszene
     herum.
    »Halten Sie noch immer die Ohren offen, Tony?«
    Tony wand sich unbehaglich. »Was wollen Sie wissen?«
    »Haben Sie etwas über einen Landmaschinenhändler gehört, Breakman Machinery?«
    Tony zuckte die Schultern. »Da draußen bei Thinbeach? Da passiert doch nie was. Die haben so ein Strohpuppenfest, das reicht
     denen fürs ganze Jahr.«
    »Und wie ist es mit den Breakmans selbst? Oder ihrem Mieter, einem gewissen Jake Skerrit? Gibt es da irgendwas, was man wissen
     sollte?«
    Wieder zuckte Tony lächelnd die Achseln. Er wirkte erleichtert: Er hatte ihr nichts zu sagen.
    »Wie steht es mit einem Mann namens Ron Teversham?«
    »Leider verschwenden Sie Ihre Zeit mit mir, liebe Miss Moresby.«
    »Bleiben Sie noch einen Moment.« Sie suchte nach einem anderen Ansatzpunkt. »Haben Sie irgendwas über eine junge Russin gehört?«
    Tonys Lächeln veränderte sich einen winzigen Moment lang. Es verblasste keineswegs, im Gegenteil: Es wurde noch strahlender.
    »Russen?«, fragte er. »Warum sollten diese Männer aus der weiten Steppe uns hier Sorgen machen?«
    »Wer hat denn etwas von Männern gesagt?«
    Tonys Adamsapfel hüpfte. Er sah aus wie eine Ratte, gefangen in einem Sack.
    »Tony, alter Junge, Sie haben also etwas gehört, nicht wahr?«
    Tony nahm die Mütze ab und fuhr sich mit der Hand durchs rötlichbraune Haar.
    »Miss Moresby, ich mag Sie wirklich gern. Aber es gibt so Sachen, wissen Sie. So Sachen, die ich so höre, wissen Sie, die
     kann ich nicht . . .«
    »Sie haben etwas über Russen gehört? Was denn?«
    »Vielleicht gar nichts. Ich werd der Sache nachgehen, okay?«
    »Tun Sie das. Wenn Sie keine Informationen kriegen können, nehme ich auch Gerüchte. Aber bis morgen Vormittag. Rufen Sie mich
     an.«
    Tonys Neoprenanzug glänzte in der Sonne. Der Reißverschluss stand oben offen, und die Brust darunter war so bleich wie der
     Kunststoffkörper einer Puppe.
    »Und dann sind wir quitt, Miss Moresby?«
    »Lassen Sie mich nicht im Stich, Tony.«
    Tony Olland sah sich auf dem Parkplatz um. Es war ein heißer Nachmittag. In seinem rötlichen Stoppelbart glänzten Schweißperlen.
     
    Fletcher kaufte sich im Fen Deli in Thinbeach ein Sandwich und machte sich auf den Weg zu Tevershams Adresse in Wittris. Die
     Straße führte in nördliche Richtung durch Lauch-, Raps- und mohngesprenkelte Weizenfelder. Ab und zu kam eine schattige Senke
     mit kleinen Kuhweiden, einem Obstgarten oder Bienenstöcken. Weiter draußen in den Fens führte die Straße über breite

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