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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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fand sie nur eine einzige Person, die Teversham gesehen hatte: Debbie, die Kellnerin in The Bride.
    »Tom Fletcher haben Sie nicht dabei?«, fragte Debbie.
    »Er ist anderweitig mit dem Fall beschäftigt.«
    Debbie lächelte und wischte einen Zapfhahn mit dem Tuch sauber. Das Pub war beinahe menschenleer. Drüben an der Backsteinwand
     schimmerte die Ausstellung kleiner Strohpuppen im Licht: Die bunten Seidenstoffe glänzten wie Edelsteine und die geschickt
     geflochtenen Arme und Beine hatten einen goldenen Bernsteinton.
    »Debbie, wie war das denn gestern Abend mit Ron Teversham?«
    »Der arme alte Ron. Er setzte sich da drüben in die Ecke, so gegen zehn, und trank ganz allein einen Whisky.«
    »Hatte er vorher schon etwas getrunken?«
    »Er hatte immer vorher schon etwas getrunken.«
    »Hat er irgendetwas gesagt?«, fragte Sal.
    »Er murmelte etwas vor sich hin. Ich sagte:
Ist das nicht schrecklich, mit Jake –
weil sie früher oft zusammen hier gewesen sind, er und Jake. Er nickte einfach nur. Dann stand er auf und ging über die Straße.
     Ich hab es vom Garten aus gesehen. Nicht, dass Sie denken, ich hätte ihm nachspioniert.«
    »Er ging über die Straße?«
    »In das Haus dort gegenüber. Ich fand das irgendwie merkwürdig. Dass Ron so jemanden besucht.«
    Sal trat ans Fenster und warf einen Blick auf das eindrucksvolle Haus, das ihnen schon gestern aufgefallen war: Backsteine
     im Kornährenverband bildeten das Erdgeschoss, auf das ein Obergeschoss aus Fachwerk aufgesetzt war. Schwere steinerne Tür-
     und Fensterstürze und eine Glyzinie, die die Wände überrankte, verbanden beides zu einem einheitlichen Bild, und das Ganze
     lag hinter einem schmiedeeisernen Gartenzaun. Alles zusammen sah so aus wie das Titelbild einer Broschüre über die verborgenen
     Schätze von East Anglia.
    »Wer wohnt dort, Debbie?«
    »Alain de Minching.« Debbie trat nun ebenfalls ans Fenster.
    »Den Namen kenne ich.« Sal dachte an Jake Skerrits Zimmer. »Er hat ein Buch über die Hochzeit von Thinbeach geschrieben. Darin
     kommt eine alte Ballade vor, über . . .«
    »Die treulose Maid von der Isle of Eels.«
Debbie sang die Zeile wie ein Volkslied und dehnte die letzte Silbe zu zweien. »Er hat schon eine Menge gemacht, dieser Alain de Minching.
     Er ist wirklich ein sehr kluger Kopf.«
    »Er behauptet von sich selbst, dass er von den Normannen abstammt.«
    »Sie brauchen sich nur sein Haus anzuschauen.«
     
    Vor ihnen ragte der Turm der verfallenen Kirche auf, und die schräg einfallenden Strahlen der Nachmittagssonne brachen sich
     in den Planen der Foliengewächshäuser, die sich links und rechts der Straße nach Thinbeach entlangzogen. Neben Fletcher auf
     dem Beifahrersitz saß ein Mann, den er vorher noch nie gesehen hatte.
    Die Situation war ungewöhnlich. Vor Tevershams Haus hatte der Mann ihm erklärt, dass sie eine wichtige Fahrt unternehmen müssten.
     Er würde Fletcher zu jemandem bringen, der die Fragen, die Fletcher sich inzwischen möglicherweise stellte, beantworten könnte.
    Und wer sind Sie?
    Das erkläre ich Ihnen unterwegs.
    Der Mann trug einen weißen Pullover mit Polokragen unter einer schwarzen Lederjacke, dazu dunkle Segeltuchhosen und knöchelhohe
     Sportschuhe. Er hatte ein bisschen Übergewicht, aber das stand ihm gut. Plötzlich lächelte er breit, und ein Goldzahn blitzte
     auf.
    »Biegen Sie hier links ab, mein Freund. Nehmen Sie diese schmale Straße.«
    Fletcher hatte diesen Akzent heute schon einmal gehört, die kehlige Stimme und das rollende R.   Aus Olgas Mund klang es verführerisch. Bei diesem Mann war es ein zischendes Grollen.
    »Sie sind Russe«, bemerkte Fletcher. »Ein Freund von Olga Breakman? Was tun Sie hier?« Keine Antwort. »Wen soll ich treffen?«
    Der Mann lächelte. Er war Ende dreißig, hatte ein breites, gutmütiges Gesicht, Fältchen um die Augen, eine stumpfe Nase und
     kurzes Haar. Er sah aus wie ein ehemaliger Soldat.
    »Fahren Sie einfach.«
    Sie folgten einem Wirtschaftsweg, der um Thinbeach herum in naturbelassenes Sumpfgebiet führte. Die Ranken und Binsen des
     Fens schoben sich vor den rötlich verfärbten Himmel, Schilfspitzen schwankten im Wind. Dann ging die asphaltierte Straße in
     einen Feldweg zwischen verkrüppelten Weißdornbüschen über, und die Reifen holperten über lose Steine. Sie kamen an einem Schild
     mit der Aufschrift
Naturschutzgebiet
vorbei, das erste Straßenschild seit zehn Minuten. Fletcher fuhr langsamer, um Zeit zu gewinnen.
    »Wie

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