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Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman

Titel: Tod einer Strohpuppe: Kriminalroman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Lennon
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Bronzeton, der dem von Iwans Augen glich. »Und Sie
     stören mich. Sie stellen Fragen . . .«
    »Wir sind hier in England und ich bin Polizist.«
    »Widersprechen Sie mir nicht.« Der russische Akzent war wieder ein Grollen. »Wie tief ist das Wasser in diesem Fen? Drei Meter,
     denke ich. Wissen Sie, wie leicht es wäre, Sie heute Nacht einfach verschwinden zu lassen?« Wieder knisterte ein Ast im Feuer.
     »Aber das will ich nicht. Ein verschwundener Polizist zieht weitere Polizisten an, wie die Wespen. Ich möchte nur, dass Sie
     aus Thinbeach weggehen. Sie müssen einen Bericht schreiben, okay. Der englische Bursche spielte gern mit großen Maschinen.
     Dabei verunglückte er. Der Wachmann war betrunken und fuhr gegen einen Baum. Schreiben Sie das in Ihren Bericht. Kommen Sie
     nicht hierher zurück. Sprechen Sie nie wieder mit Olga.«
    Über dem Bunker erwachte, vom Rauch halb verdeckt, ein Stern flackernd zum Leben. Die Nacht versprach schön zu werden.
    »Iwan, Sie verstehen mich nicht. Sie werden in einem englischen Gefängnis sitzen.«
    Iwan legte den Kopf zurück. Der Schein des Feuers ließ die Narbe unter seinem Kinn glänzen, und Fletcher fragte sich, wie
     viel Blut der Mann damals wohl verloren hatte. Iwan lachte.
    »Polizist, ach, Polizist, glauben Sie, dass ein englisches Gefängnismir Angst macht? Haben Sie jemals von einem Ort namens
der Zylinder
gehört? Nein? Nun, das ist ein Militärgefängnis, das schlimmste in Russland und damit das schlimmste der Welt. Ich war ein
     halbes Jahr lang dort. Es
ist
ein Zylinder, verstehen Sie: ein Betonring mit ein paar Lichtöffnungen oben. Die Zellen sind Betonkammern im Boden. Der Zylinder
     ist wie eine Maschine, jeden Tag rückt man eine Zelle weiter. Die Maschine dreht einen unaufhörlich im Kreis und lässt einen
     niemals zur Ruhe kommen. Sie würden nicht einmal in Ihren Albträumen darauf kommen, was dort mit den Menschen geschieht. Ich
     habe Männer gesehen, die Würmer fraßen und dabei glücklich waren.«
    »Ist das damals passiert – das mit Ihrem Hals?«
    Fletcher war gar nicht auf ein Gespräch aus, aber aus irgendeinem Grund interessierte ihn das. Beim Gedanken an die schreckliche
     Verletzung zuckte er innerlich zusammen. Ob das Mitleid war?
    Iwan senkte nur den Kopf und schloss einen Moment lang die Augen.
    »Also«, sagte er, »ich habe mich wie ein Engländer verhalten. Ich habe Ihnen eine faire Chance geboten. Greifen Sie zu. Schreiben
     Sie einfach Ihren Bericht.«
    Fletcher dachte daran, wie Jake Skerrits Vater ihn beim Arm ergriffen hatte. »Wir sehen uns noch«, sagte er.
    Dann ging er vom Feuer weg, die Treppe zum Eingang hinauf und trat hinaus in die Dämmerung.
    Kühle Luft. Rundum die zerbröckelnde Betonfläche. Iwan rief etwas auf Russisch, und Berlitz, der am Fuß der Geröllhalde an
     Fletchers Audi lehnte, richtete sich auf und kam zu ihnen geschlendert. Die Pistole war nicht zu sehen.
    »Sie wollen doch nicht schon gehen?«
    »Doch, Berlitz.«
    »Nun ja, natürlich, mein Freund. Es war mir ein Vergnügen. Ich hoffe, Sie bald wiederzusehen.«
    Fletcher ging über das Geröll zu seinem Auto. Als er dort ankam, hörte er etwas hinter sich und drehte sich um.
    Berlitz und Iwan standen, vor dem Hintergrund des malvenfarbenen Himmels scharf umrissen, hoch aufgerichtet auf der grasbewachsenen
     Betonkuppel. Iwan überragte die gedrungene Gestalt von Berlitz in der Lederjacke. Berlitz hatte eine Hand erhoben, und selbst
     auf die Entfernung waren die einzelnen Finger deutlich zu erkennen.
    Wieder hörte Fletcher etwas, das gleiche Geräusch wie zuvor. Es war eine menschliche Stimme, mächtig und klar. Sie schallte
     über die Betonfläche und verstummte dann, von einem Echo gefolgt, das über den zerklüfteten Boden hallte. Fletcher verstand
     nicht recht, was da geschah. Er sah, wie Berlitz wieder die Finger bewegte, als prüfe er den Wind. Hinter ihm am dunkler werdenden
     Abendhimmel funkelte der Stern hell und klar.
    Fletcher lehnte sich gegen seinen Wagen. Er wusste, dass er notfalls mit Vollgas in wenigen Sekunden hinter der Hecke wäre,
     aber er hatte nicht das Gefühl, dass das nötig sein würde.
    Berlitz bewegte wieder die Hand und fing an zu singen.
    Fletcher verstand nichts, doch einen solchen Gesang hatte er noch nie gehört. Er begann langsam und tief, und die klaren russischen
     Worte klangen wie eine Ansprache an die weite, leere Landschaft.
    Fletcher wusste, dass die Fens bis vor einigen hundert Jahren ein

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