Tod eines Centurio
zischte jemand. Ich blinzelte verschlafen. Im Zelt war es pechschwarz.
»Hermes, bist du das?« fragte ich. Dann hörte ich, daß Hermes seelenruhig neben mir schnarchte.
»Vergiß deinen Sklaven«, sagte die Stimme drängend. »Der Prokonsul befiehlt, daß du dich unverzüglich und ohne jedes Aufsehen bei ihm meldest!«
»Wer ist da? Gib dich zu erkennen!« Wir hätten uns genauso gut im tiefsten Schacht einer Mine unterhalten können.
»Ich bin Publius Aurelius Cotta«, sagte er. Ein Jüngelchen von einem Tribun, Träger eines uralten Namens, dem er seiner Nervosität nach zu urteilen wenig Ehre machen würde.
»Worum geht's denn?« verlangte ich zu wissen, während ich mich auf meiner Pritsche aufrichtete und nach meinen Stiefeln tastete.
»Etwas Wichtiges«, sagte er, einen klaren Blick für das Naheliegende beweisend.
»Ich nehme an, du hast keine Lampe mitgebracht? Ich kann meine Ausrüstung nicht finden.«
»Vergiß sie«, sagte er. »Befehl von Caesar.«
Es mußte etwas wirklich Dramatisches sein. Caesar hatte die harte Bestrafung jedes Rekruten angedroht, der auch nur ohne Helm im Lager erwischt wurde. Ich fand immerhin meinen Schwertgürtel und legte ihn an. Mit ausgestreckten Händen tastete ich nach dem Zelteingang und taumelte ins Freie. Cotta faßte meinen Arm und stützte mich, während ich nur das schwache Glimmen der entfernten Wachfeuer erkennen konnte.
»Ich habe gar keinen Alarm gehört«, sagte ich. »Ich nehme doch an, wir werden angegriffen. Wenn Caesar von mir verlangt, daß ich noch mehr von seinen verdammten Berichten an den Senat kopiere, werde ich desertieren.«
»Ich vermute, es ist schon ein wenig wichtiger«, sagte Cotta, um eine Aura aristokratischer Lässigkeit bemüht. Er würde wohl noch ein paar Jahre brauchen, bis sie überzeugend wirkte.
»Worum geht es dann?«
»Das darf ich dir nicht sagen. Er hat mir sogar befohlen, dich möglichst leise zu wecken.«
»Er will wohl nicht, daß die Soldaten etwas merken, wie?
Muß sich ja um eine überdurchschnittlich schändliche Angelegenheit handeln. Wahrscheinlich hat er vergessen, Wachen aufzustellen, und die Gallier haben sich eingeschlichen und das Lager übernommen, und jetzt will er, daß ich es wieder in Ordnung...« Ich stolperte über eine Zeltleine und landete auf der Nase. Danach beschränkte ich mich auf das Murmeln von Flüchen und Verwünschungen. Cotta schien der relativen Stille dankbar zu sein.
Die Einfriedung des Praetoriums erstrahlte in ungewohntem Fackelschein; beim Stabstisch stand eine Gruppe von Offizieren, in wollene Umhänge gehüllt und mit Mienen, die so verdrießlich waren, wie ich mich fühlte. Ich erkannte Labienus, Caesars Legatus, Paterculus, den Praefekten des Lagers und andere, die mir weniger gut bekannt waren. Auch Garbo war anwesend und neben ihm ein Gallier. Der Mann war kleiner als die meisten anderen und trug eine dunkle Tunika und Hosen. Seine Arme und sein Gesicht waren mit dunkler Farbe beschmiert.
»Ist das Metellus?« fragte Caesar, sich unter dem Eingang seines Zeltes duckend. »Gut, dann laßt uns gehen.«
»Außerhalb des Lagers könnten uns gallische Eindringlinge auflauern«, sagte einer der Offiziere.
»Na und?« sagte Caesar. »Sind wir nicht alle gut bewaffnet?
Kommt, meine Herren. Dies ist eine ernste Angelegenheit, und ich möchte, daß sie mit allergrößter Behutsamkeit und Diskretion behandelt wird.«
Wir marschierten geschlossen hinter Caesar her. Mir brannten etliche Fragen auf der Seele, aber ich hütete meine Zunge. Wir stapften in nördlicher Richtung los und verließen das Lager durch die Porta decumana im Nordwall. Die Torwache starrte uns entgeistert an, doch Caesar gab den strikten Befehl, den Mund zu halten, und drohte jedem bei Zuwiderhandlung mit dem Tode. Er klang, als ob er es ernst meinte. Die Portale in einem Wall sind keine echten Tore mit Riegeln, sondern vielmehr Überhänge im Lagerwall. Es gibt diverse Arten, solche Tore einzurichten, aber alle bieten die Möglichkeit, den Feind beim Passieren von oben und von beiden Seiten unter Feuer zu nehmen.
Als wir das Lager verlassen hatten, übernahm der Gallier die Führung. Er stürmte gebückt voran, als habe er Augen in den Zehen, und sah aus, als wolle er jeden Moment losrennen. Er erinnerte mich an einen Jagdhund, der an der Leine zerrt.
Der Gedanke, die sichere Umgebung des Lagers zu verlassen, gefiel mir gar nicht. Selbst mit dem großen Damm, der sich irgendwo da draußen befand, gaben wir
Weitere Kostenlose Bücher