Tod eines Centurio
noch immer auf seinem Hals sitzt.«
»Das ist fürwahr ungewöhnlich, doch noch längst kein zwingender Beweis. Möglicherweise...« Ich wurde unterbrochen, was mir nicht unwillkommen war, da ich keine überzeugende Antwort parat hatte.
»Caesar«, sagte Paterculus, »darf ich offen sprechen?« Er war ein graubärtiger Haudegen mit einem wettergegerbten Gesicht.
»Bitte, nur zu.«
»Du brauchst diesen... diesen Philosphen nicht, um heraus zu finden, wer Titus Vinius getötet hat. Es müssen die Männer seiner eigenen Centurie gewesen sein. Sie haben ihn alle gehaßt.«
»Gewiß«, sagte ich, weil mir die Richtung nicht gefiel, in die seine Andeutung wies. Sobald ich Titus Vinius' totes Antlitz gesehen hatte, war mir klar, wer die am dringendsten Verdächtigen waren. »Sie haben ihn einfach mitten in der Nacht auf einen Spaziergang am See eingeladen, unbewaffnet. Er ist ihrer Bitte mit der rauhen Herzlichkeit nachgekommen, für die er überall berühmt war.«
»Red keinen Unsinn«, sagte Paterculus. »Sie haben ihn im Lager oder auf dem Wall getötet und dann hierher geschleift.«
»Und das haben sie zuwege gebracht, ohne daß es jemand bemerkt hat?« wollte ich wissen.
»Nichts leichter als das. Die Erste Centurie hatte heute die Nachtwache am Nordwall.«
»Achtzig Mann können nie im Leben eine Verschwörung geheimhalten.« »Es war ja auch nicht die ganze Centurie«, erwiderte Paterculus. »Nur das eine Contubernium, das ihm so viel Ärger gemacht hat. Dieser Junge... wie heißt er noch? Burrus?
Überlaßt ihn mir für eine Stunde, dann quetsche ich die ganz Geschichte aus ihm heraus.«
Die Sache wurde immer ominöser. »Caesar«, drängte ich »wenn der Tod des Ersten Speers schon ein Schlag ist, welche Auswirkung würde dies erst auf die Zehnte haben? Wenn Männer der Legion ihren eigenen Centurio ermordet haben sollten, könnte das weit schlimmere Folgen haben als die bloße Untergrabung der allgemeinen Moral. Es könnte Nachahmer inspirieren.«
Caesar stand eine Weile in stumme Gedanken versunken.
Dann sprach er mit leiser, aber für jeden von uns vernehmbarer Stimme.
»Was du sagst, ist nur zu wahr. Decius, ich ernenne dich zum ermittelnden Offizier. Wenn dieser Mord nicht vor Männern der Ersten Centurie der Ersten Kohorte beganger wurde, mußt du herausfinden, wer es getan hat, und zwar schnell. Hiermit entbinde ich dich von sämtlichen anderer Pflichten. In der Zwischenzeit muß ich gewisse disziplinarische Maßnahmen treffen.«
»Habe ich deine Vollmacht, jeden zu befragen, den zu befragen ich für notwendig erachte, Legionär oder Offizier, Freier oder Sklave, Bürger oder Barbar?«
»Dies ist meine Provinz, und du hast meine Vollmacht als Prokonsul von Gallien und Illyrien, jedes menschliche Wesen innerhalb der Grenzen meines Imperiums zu befragen, solange du deine Ermittlungen mit äußerster Diskretion betreibst.«
»Nein, Caesar«, entgegnete ich. Die gemurmelten Gespräche um uns herum erstarben.
»Was?« sagte Caesar, als traue er seinen Ohren nicht. »Ich werde diese Ermittlungen durch führen, doch ich kann mich nicht durch Verschwiegenheitsbedenken behindern lassen.
Egal, wie häßlich oder schmutzig dieses Verbrechen auch sein mag, ich werde ihm auf den Grund gehen. Ich möchte nicht, daß irgend jemand denkt, daß ich aus Angst, dich zu beschämen oder zu blamieren, vor irgend etwas zurück schrecken könnte.
Es ist notwendig, daß du mir vor diesen Offizieren die unumschränkte Vollmacht zur Ermittlung und gegebenenfalls auch zur Festnahme von Verdächtigen erteilst. Wenn nicht, werde ich meine Ausbildung an den Waffen fortsetzen.«
Es herrschte Totenstille, als Caesar mich mehrere Sekunden lang wütend anstarrte. Das flackernde, rotgelbe Licht der Fackeln ließ sein Antlitz geradezu furchterregend aussehen.
Dann lächelte er knapp und deutete ein Kopfnicken an, so vage, daß es auch eine optische Täuschung gewesen sein könnte.
»Also gut. Ich werde dir als Insignien deiner Autorität zwei meiner Liktoren überlassen. Heute nachmittag werde ich an den Beerdigungsriten für Titus Vinius teilnehmen. Danach werde ich nach Italien aufbrechen, um meine Legionen ein zu sammeln. In meiner Abwesenheit wird Labienus das Kommando übernehmen. Ich möchte, daß du die Schuldigen bis zu meiner Rückkehr entlarvt hast. Wenn nicht, muß ich unangenehme, aber notwendige Schritte unternehmen, um die Ordnung und Disziplin der Zehnten Legion wiederherzustellen.«
»Caesar, möchtest
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