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Tod eines Centurio

Tod eines Centurio

Titel: Tod eines Centurio Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Maddox Roberts
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zum Praetorium sah ich, daß sich auf dem Forum eine beträchtliche Menschenmenge versammelt hatte. Ich schlenderte hinüber, um zu sehen, was dort vor sich ging, und kam an dem verbrannten Fleck Erde vorbei, auf dem am Vortag noch der Scheiterhaufen für Titus Vinius errichtet worden war. Inmitten der Menschenmenge sah ich Labienus auf einer niedrigen Plattform auf einem kurulischen Stuhl sitzen, umgeben von einem halben Dutzend auf ihre Fasces gestützte Liktoren. Unter den Schaulustigen entdeckte ich Garbo und gesellte mich zu ihm, um zu erfahren, was los war.
    »Der Legatus hält Gericht«, informierte er mich. »Heute morgen ist ein Haufen hiesiger Würdenträger und Anwälte erschienen, die auf Entscheidungen in einigen langwierigen Verfahren drängen.«
    »In einem Militärlager im Kriegsgebiet?« fragte ich. »Das Leben geht weiter«, erklärte Garbo, »sogar im Krieg.« Es ist eine der vielen Anomalien unseres Regierungssystems, daß wir von einem Propraetor oder Prokonsul, den wir in ausländische Territorien entsenden, erwarten, daß er gleichzeitig Magistrat und militärischer Oberbefehlshaber ist. Deswegen hat er seinen Legatus dabei; so kann er sich auf die wichtigere der beiden Funktionen konzentrieren und die andere seinem Assistenten überlassen. Doch bisweilen mußte ein Mann beide Rollen erfüllen, wie Labienus jetzt. Ich war überrascht, unter den Würdenträgern auch einige gut gekleidete Gallier, einschließlich einiger Druiden, zu entdecken, die genauso aussahen wie jene, denen ich unlängst begegnet war.
    Dies war eine wunderbare Gelegenheit, das Praetorium für mich zu haben. Ich nahm die Abkürzung über den Wall beim Rednerpodium und fand das große Zelt verlassen. Bevor ich eintrat, ging ich einmal um das ganze Zelt herum, um sicherzugehen, daß ich unbeobachtet war. Ich stellte die schwere Truhe auf den Tisch und öffnete sie mit meinem neuen, glänzenden Schlüssel. Zunächst entnahm ich sämtliche Urkunden und erstellte eine Liste mit allen Einzelheiten einschließlich der Kaufpreise. Als alle Papiere und Tafeln auf einem Haufen lagen, hob ich die Truhe an. Sie war noch immer sehr schwer, selbst wenn man das massive Holz und die eisernen Beschläge in Betracht zog. Ich schleppte die Truhe bis zum Eingang des Zeltes und stellte sie so ab, daß die Sonne auf ihren Boden fiel. Er war völlig glatt, ohne jeden Überstand.
    Ich versuchte, die schweren Nieten zu verschieben, die die Beschläge hielten, doch keine bewegte sich auch nur einen Millimeter.
    Ich drehte die Truhe um und untersuchte die Unterseite. Die Truhe stand auf vier etwa drei Zentimeter hohen, stämmigen Füßen, die von unten mit Leder gepolstert waren. Ich versuchte sie zu drehen. Der dritte Fuß gab ein wenig nach. Ich trug die Truhe zurück zum Tisch, packte den Fuß und drehte erneut daran. Nach einer Vierteldrehung hörte man ein Klicken. Die Unterseite der Truhe klaffte einen Spalt weit auf, und es gelang mir, meinen Dolch in den Schlitz zu schieben. Mittels dieses Hebels ließ sich die Holzplatte an der Unterseite ohne Schwierigkeiten lösen, und ich blickte auf eine Art zweiten Boden. Er war aus massivem Gold.
    Nach einer Weile besann ich mich wieder zu atmen und betrachtete meinen Fund genauer. Auf der Oberfläche zeichnete sich ein feines Gittermuster ab. Ich stieß mit der Spitze des Dolches in einen Zwischenraum und löste einen Minigoldbarren von der Länge und Breite meines Zeigefingers. Er lag erstaunlich schwer in meiner Hand, und in der rechteckigen Lücke, die er hinterlassen hatte, erkannte ich eine weitere Goldschicht.
    Ich setzte den Barren wieder an seinen Platz, befestigte den falschen Boden und drehte den Fuß der Truhe zurück in seine Ausgangsstellung. Dann holte ich mir aus der Vorratstruhe im Zelt einen Krug von Caesars Wein und war ziemlich stolz auf mich, keinen Tropfen verschüttet zu haben.
    Wer wußte von diesem Schatz? Vinius schien keine Familie gehabt zu haben. Hatte er sich seinem Verwalter anvertraut?
    Und wenn ja, wie weit? Heimlich drängte sich ein unwürdiger, aber ungemein verlockender Gedanke in mein Gehirn: Hier lag genug Reichtum, alle meine Schulden zu bezahlen und mir meine notorisch kostspielige Amtszeit als Aedil zu finanzieren.
    Ich konnte Straßen ausbessern, einen oder zwei Tempel renovieren und spektakuläre Spiele veranstalten, und hinterher hätte ich noch einiges übrig, um mich zu amüsieren. Wie schwierig würde es sein, diese Urkunden zu ändern und auf meinen Namen

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