Tod Eines Kritikers
LISTE genommen, die nachher als Schlechte Bücher behandelt wurden. Aber viel häufiger kommt, wen er auf SEINE LISTE nimmt, gut weg. Die Presse veröffentlicht ja vor der Sendung SEINE LISTE , die Verlage drucken sie in ihren Inseraten. Diesmal also habe Hans Lach aus allen erreichbaren Daten schließen können, seins werde das Gute und das von Philip Roth das Schlechte Buch sein. Bernt Streiff, ein Kollege und fast ein Freund von Hans Lach, habe nämlich aus dem PILGRIM Verlag, dessen Autor Streiff ist, gehört, daß Ehrl-König in einem Telephongespräch mit Ludwig Pilgrim gesagt habe: Ach, Philip Roth! Das habe geklungen, als habe Ehrl-König es satt, schon wieder ein Philip Roth-Buch gut finden zu müssen. Also mußte ja Hans Lachs Buch das Gute sein. Lach sei dann, das habe das Gespräch mit Julia Pelz, der Verlegergattin ergeben, nur zur Party geladen worden, weil im Hause PILGRIM gedacht wurde, die SPRECHSTUNDE werde endlich ein Triumph werden für Hans Lach. Allerdings war es nur und ganz allein Julia Pelz, die Hans Lach einschleuste. Ihrem Mann wagte sie das, weil es sich doch um eine Sünde gegen das Ritual handelte, nicht vorher zu sagen, aber sie wollte durch ihre Initiative beweisen, daß sie, was Ehrl-König sagen würde, schon vorher und durch eigenes Urteil gewußt habe. Sie wollte sich als Verlegergattin profilieren. Einen Triumph feiern gegen die Regel. Daraus wurde dann nichts beziehungsweise etwas ganz Furchtbares.
Ob ich, fragte er, noch einmal um ein Gespräch mit Hans Lach ansuchen könne? Das sagte ich zu.
Ob ich mit ihm in der Polizeikantine Mittag essen wolle. Vollwertkost. Heute Gemüsestrudel. Vorher Gerstensuppe. Sehr billig und sehr gut. Ich machte ihn darauf aufmerksam, daß seine Kettenraucherei nicht zu diesem Schwärmen von der Vollwertkost passe.
Eine Vernehmung dauere gelegentlich acht Stunden, sagte er. Nach sechs Stunden und zwanzig Zigaretten, sage er dann schon einmal: Sie wissen, Sie sind der Täter, wir wissen, daß Sie der Täter sind, aber Sie wollen es uns nicht sagen. Dann verlasse er die Vernehmungszelle im vierten Stock in der Ettstraße, renne zum Bahnhof und fahre heim und hoffe, der Sitzengelassene leide jetzt darunter, daß die Vernehmung so jäh abgebrochen worden sei. Er habe übrigens Hans Lach, um ihm näherzukommen, gestanden, daß er durch die Lach-Lektüre sensibilisiert worden sei. Wenn er jetzt abends, von der Bayerstraße kommend, quer durch den Hauptbahnhof zu seiner SBahn gehe, schaue er, ob die Speichelbatzen, denen er am Morgen ausgewichen sei, noch da lägen. Aber es sei ihm noch nicht gelungen, Lach zu beeindrucken. Mich zu beeindrucken sei ihm gelungen.
Wissen Sie, sagte er, ich darf Herrn Lach nicht merken lassen, wie schwer mir eine Ermittlung fällt, bei der keine Leiche vorliegt. Die Leiche, der Zustand der Leiche, das ist motivierend. Ohne Leiche verkommt alles zum Quiz. Daß Sie mich nicht ganz falsch verstehen, sagte er dann, wenn die Täter nachher getötet werden würden, könnte ich nicht ermitteln. Wir verabschiedeten uns herzlich. Zwei Menschen, von denen einer die Unschuld, der andere die Schuld eines Dritten beweisen will.
Ich konnte meine Unschuldsvermutung schützen vor allem, was sie gefährden wollte. Ich verhielt mich faktenfeindlich, beweisabweisend, wirklichkeitsfremd. Seuse würde, wie ich mich verhielt, gelassen nennen.
Meine nächste Adresse: Julia Pelz. Frau Pilgrim. Frau Pelz-Pilgrim. Auf den Photographien stand sie immer so neben ihrem Mann, als stimme sie ihm zu. Nicht ganz ohne freundliche Herablassung. Aber vielleicht blitzte dieser hübsche Spott immer in ihren Augen, und da man sie meistens mit ihrem Mann sah, glaubte man, der sei der Anlaß dieses immer ein bißchen frechen Blicks. Ja, das war ihr Blick, frech, nicht spöttisch. Aber ganz schön frech.
Liebenswürdig frech. Der Professor, der sie, als PILGRIM Autor, öfter direkt erlebte, hatte gesagt, sie sei immer so angezogen, als wäre sie gerade vom Pferd gesprungen. Er hat gesagt: gesprungen.
Ich gebe zu, ich war auf diese Frau gespannt. Aber das mit der Kleidung stimmte dann schon einmal nicht. Eine Art Mantel, schwarz, eng, offen getragen, ohne daß er aufgegangen wäre, aber man sah das schwarze Top mit V-Ausschnitt und sah auch, daß die schwarze Hose erst an der Hüfte begann und erst von den Knien an weiter wurde. An den blassen Ohrläppchen funkelten winzige Flämmchen. Wahrscheinlich doch etwas Diamantenes. In den V-Ausschnitt hing, fast zu
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