Tod Eines Kritikers
Die Vielseitigkeit. Ich habe Dr. Swoboda informiert: Wenn ich Geneviève ficke, muß ich kein bißchen besser sein als Ramazotti, aber ich darf auch kein bißchen schlechter sein. Das Wichtigste im Leben: Man macht sich nicht lächerlich. Allein, bin ich nicht lächerlich. Basta. Gestern schoß es mir durch den Kopf: Wenn ich fünfundachtzig werde, komme ich vielleicht doch noch zum Vögeln. Bis dahin Zölibat. Meine Spätwerke werden nichts sein als ein Lesen in den Augen Gottes. Da steht ja alles, was die Menschheit hineingeschrieben hat. Und es steht nirgendwo sonst. Öfter schießt es mir durch den Kopf: Wer bin ich denn …? Das war überhaupt das Höchste, als Geneviève sich versprach und Mulokken sagte statt Molukken. Aber dann: Ja, wer bist denn du scho! Hätte sie nicht sagen sollenmüssendürfen. Einmal schoß es mir durch den Kopf: Ich bin ein Hampelmann. Als Geneviève sich versprochen hatte, riß ich sie über den Tisch, an dem sie saß herüber und ließ sie, die ohnmächtig war vor Liebe, in meine Arme sinken. Und hörte Paul McCartney singen: That’s what I want. Aber ein Tag, an dem der Pfleger eins mir von weitem zuruft: Wie geht’s unserem Manderl heut? ist ein verlorener Tag. Wenn es Zeugen dieses Zurufs gibt, kann ich ja nicht jedesmal dazusagen: Das tut der bloß, weil ich ihn Naturkatastrophe genannt habe. Das sitzt natürlich: Naturkatastrophe! Uff! Hätte ich nicht sagen sollen. Es macht sich nicht bezahlt. Und der Samen kommt nur noch mühsam hoch. Überhaupt nicht mehr frech herausgespritzt wie ehedem. Ach, ehedem kommt wieder. Frau Dr. Sandra Rothroz von der Menterschwaige: Das ist bei Ihnen alles Geist geworden. Quatsch. Da wackelt die Wand und das ist mein Freund Georg Meidner, seinerseits Künstler, und er vögelt gerade jetzt Hannelore. Also, bitte, da muß es einem doch vergehen. Von den Tonnen mal ganz abgesehen, die immer noch auf mir liegen. Was Lyrik angeht, ist Goethe Nummer eins. Und bleibt es. Aber ich habe etwas gemeinsam mit Solschenyzin. Ich bin auch gerettet worden. Ihn hat die Mathematik gerettet, mich die Skandinavierinnen. Waterloo. An der Spitze eines möglicherweise verlorenen Haufens bewaffneter Arbeiter nockerbergaufwärts. Tausend Jahre nach meinem Tod, gehöre ich zu den Großen. Ich bin eine explodierende Mischung. Arschloch, Schumann, Heine, Dostojewski, Beckenbauer. Was ich eigentlich wollte in meinem Leben – und nichts als das wollte ich –, daß Geneviève Winter vom ORF sagt: Du bist der Mann, den ich begehre, nach dem ich verlange, von dem ich ein Kind will (oder zwei oder drei). Das wollte ich. Habe ich gewollt. Aus. Vorbei. Es soll mir also genügen, ein Ästchen zu sein am Goethe-Baum. Da schießt es mir durch den Kopf: Lieber ein Ast. Und dann auf mir ein Vogelnest. Und darin Geneviève. Und sie piept: Komm zu mir, großer Vogel. Hast du mich verstanden. Ich dich auch nicht. Wenn der endlich aufhören könnte, Manderl zu brüllen. Durch dieses große Haus nur noch dieses Gebrüll: Manderl. Das ist doch eine Naturkatastrophe. Sollte es mir noch einmal durch den Kopf schießen: Wer bin ich denn? werde ich antworten: Der Mann, den Geneviève begehrt. Aber wenn sie dann an Ramazotti denkt? Und weit und breit keine Skandinavierin mehr, die mich retten könnte. Weit und breit leere Schwere. Ich war einmal, laut Georg Meidner, seinerseits Künstler, ein Weltmeister im Verarschen. Aber ich habe versäumt, auch mich selber zu verarschen. Darauf wartet die Welt. Ich werde versuchen, der Welt zu willen zu sein. Ich hätte mein Leben als Fliege nicht ausgehalten ohne die Hoffnung auf die Wiedergeburt. Und siehe da, ich bin wiedergeboren worden. Als Mensch beziehungsweise Mani Mani. Und gestehe: Ich hielte auch dieses Leben nicht aus ohne den Glauben an die Wiedergeburt. Das Schöne: von Mal zu Mal wird der Glaube mehr zur Gewißheit. Wenn die jeweiligen Inkarnationen sich als immer unerträglicher erweisen, wird die Wiedergeburt immer erwünschter beziehungsweise notwendiger. In jedem Verlauf passieren aber Schönheitsmomente. Ein Sonnenuntergang im Sterbensaugenblick, Selbstvergessenheit auf dem Weg zur Hinrichtung, ein Bayern-Tor im Augenblick reiner Verzweiflung. Ich werde die Wirklichkeit um ihre Grausamkeit betrügen. Illusionen züchten wie andere Orchideen oder Schafe. Oh Schafe! Nicht mein Fall. Wohl aber Illusionen. Ewig blühende Gehirngewächse. Und wenn sie nicht ewig blühen, züchten wir weiter. Optimierung. Alles wird einfach optimiert. Und
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