Tod eines Lehrers
kommen.«
»So, hat sie das gesagt? Wenn das so ist, umso besser. Ansonsten geht es Ihnen gut?«
»Ist schon okay. Ich warte auf meinen Anwalt, er müsste eigentlich jeden Moment da sein.«
»Machen Sie’s gut.«
»Sie auch.«
Kerstin Abele lag auf der Pritsche, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Sie hatte ein verheultes Gesicht, setzte sich aber auf, als sie Brandt mit dem Tablett erblickte.
»Zwei Brötchen, Kaffee und ein Schokoriegel. Mehr kann ich nicht für Sie tun.«
»Brauchen Sie auch nicht. Eigentlich habe ich gar keinen Hunger.«
Brandt stellte das Tablett auf den Boden und setzte sich zu ihr.
»Es ist wegen gestern Abend. Ich habe das mit Ihrem Vater gehört. Tut mir Leid. Wie sieht es denn mit einem Anwalt aus?«
»Ich habe einen«, sagte sie mit einem Lächeln, das den inneren Aufruhr nicht überdecken konnte.
»Ich dachte, Ihr Vater hätte sich geweigert, Ihnen einen zu besorgen.«
»Ich hab trotzdem einen.«
Brandt hakte nicht weiter nach, woher sie so schnell einen Anwalt hatte, er konnte es sich aber denken. »Nehmen Sie sich bitte die Brötchen und trinken Sie was, damit Sie nachher fit sind, wenn Sie dem Haftrichter vorgeführt werden.«
»Wie geht es Carmen und Silvia?«, fragte Kerstin, die das Essen neben sich legte und sich Kaffee einschenkte.
»Es geht ihnen gut. Sie sehen sich ja nachher wieder. Ich muss weiter.«
Carmens Zelle war verraucht, die Kippen lagen auf dem Boden, sie hatte seit dem vergangenen Abend mindestens zwei Schachteln geraucht. Sie sah Brandt dankbar an, nahm sich die letzten beiden Brötchen, Kaffee und den Schokoriegel.
»Beeilen Sie sich mit dem Essen, Ihre Mutter müsste bald kommen.«
»Was ist mit Kerstin und Silvia?«
»Machen Sie sich keine Sorgen, sie sind okay.«
»Danke für alles«, sagte Carmen.
»Ich habe nur meine Pflicht getan«, erwiderte Brandt.
»Sie haben viel mehr getan. Wissen Sie, woran ich gemerkt habe, dass Sie anders sind als die meisten Menschen?«
»Nein.«
»Es war das Gedicht. Es gehört auch zu meinen Lieblingsgedichten.«
Brandt nickte nur, ging nach draußen, und die Tür wurde hinter ihm abgeschlossen. Wieder im Büro, zog er seine Jacke über und sagte, er fahre zu Anja Russler, sobald Helga Schirner eingetroffen sei, und sei spätestens um zwölf wieder zurück. Er blieb noch fünf Minuten, bis das Telefon klingelte und der Pförtner die Ankunft von Carmens Mutter meldete. Brandt rannte nach unten. Er reichte ihr die Hand, Helga Schirner schlug sie aus.
»Wo ist Carmen?«, fragte sie stattdessen kühl.
»Ich bringe Sie zu ihr. Wenn Sie mir bitte folgen möchten.«
Sie gingen schweigend zu dem Raum, wo Angehörige oder Anwälte mit den Verhafteten sprechen konnten. Er bat sie, Platz zu nehmen, und ließ Carmen aus ihrer Zelle holen. Sie wirkte sehr selbstsicher und nickte Brandt lächelnd zu, bevor ein Beamter die Tür hinter sich schloss und sich in die Ecke setzte.
Montag, 9.35 Uhr
D u wolltest mich sprechen?«, sagte Helga Schirner kühl.
»Ja, das wollte ich.« Carmen hatte die Arme auf dem Tisch liegen und die Hände wieder gefaltet. Sie sah ihre Mutter lange an, bevor sie fortfuhr: »Mutti, du weißt, warum ich hier bin, oder?«
»Du hast deinen Vater wie ein Stück Vieh abgeschlachtet! Pfui Teufel! Er hat dir immer jeden Wunsch erfüllt, und was war der Dank?!«
»Stopp!«, unterbrach Carmen ihre Mutter mit energischer Stimme. »Du hast vollkommen Recht, ich habe immer alles bekommen, zumindest fast alles. Aber du hast ja keine Ahnung, wer mir das gegeben hat. Mein Vater war nicht der Mann, als den du ihn siehst, er war ein Monster. Weißt du eigentlich, was er getan hat?«
»Nichts hat er getan! Er hat für uns gesorgt, er …«
»Ja, ja, klar, er hat für uns gesorgt!«, spie sie höhnisch aus. »Mutti, ich sag dir, was er getan hat. Er hat mindestens achtzehn Schülerinnen dazu gezwungen, mit ihm widerliche Pornofilme zu drehen. Du weißt doch, was Pornofilme sind, oder? Da wird die ganze Zeit nur gefickt! Dein Mann, mein Vater hat sie erpresst, und zwar ganz hinterhältig, sodass sie sich nicht einmal gegen ihn wehren konnten. Darunter sind Mädchen, die ich selber gut kenne, zum Beispiel Maureen Neihuus, die sich letztenNovember das Leben genommen hat, du erinnerst dich bestimmt daran …«
»Du lügst, du bist eine verkommene Lügnerin! Du ziehst den guten Namen unserer Familie in den Schmutz!«
»Nein, Mutti, ich ziehe den Namen nicht in den Schmutz, das hat Papa schon lange vor
Weitere Kostenlose Bücher