Tod eines Lehrers
schriftlich vermacht hatte, und baute dafür ein neues nur einen Steinwurf von dem Haus der Schirners entfernt. Das andere war noch ein Jahr lang bewohnt, aber die Mieter hatten es in einem derart desolaten Zustand hinterlassen, dass es sich nicht lohnte, es noch einmal zu vermieten, da die Renovierungskosten viel zu hoch gewesen wären.
Es war noch kälter geworden, der Boden steinhart gefroren, und obwohl Teichmann einen dicken Pullover und eine Daunenjacke trug, war ihm kalt. Ein böiger Wind fegte durch die Bäume des sonst nachts so finsteren Weges, der zum Glück vom Mondlicht – morgen war Vollmond – erhellt wurde. Selbst Dina schien sich wie bereits in den vergangenen zwei Wochen bei den arktischen Temperaturen nicht sonderlich wohl zu fühlen. Zum ersten Mal beschlich ihn Unbehagen und ein Gefühl von Angst, obgleich er Dina bei sich hatte. Doch sie war selbst wildfremden Menschen gegenüber zutraulich und würde ihm bei einem Überfall kaum zur Seite stehen. Aber Teichmann wollte nie ein bissiges Monster haben. Das Einzige, was er Dina beigebracht hatte, war, auf die Kommandos »Hier!« und »Sitz!« zu hören, ansonsten ließ er sie einfach gewähren. Sie war gerade drei geworden. Er hatte sie im Alter von acht Wochen von einem Züchter gekauft, nachdem er einen Monat lang um seinen damals an Altersschwächegestorbenen Hund getrauert hatte. Sie war verspielt und steckte voller Lebensfreude, und er hoffte, sie würde ihm noch viele Jahre erhalten bleiben. Nach einer Viertelstunde machten sie kehrt, den Wind jetzt im Rücken. Teichmann schossen unendlich viele Gedanken durch den Kopf, düstere Gedanken. Es muss alles anders werden, dachte er, es muss verdammt noch mal alles anders werden. Natalia hat Recht, sie hat anscheinend immer Recht.
Zu Hause angekommen, ging er ins Bad, zog sich aus, wusch sich die Hände und das Gesicht und putzte die Zähne. Natalia lag bereits im Bett und las in einem Buch. Er wollte sich gerade zu ihr legen, als das Telefon klingelte. Teichmann warf seiner Frau einen verwunderten Blick zu, denn normalerweise rief um diese Zeit keiner mehr an. Er ging auf den Flur und nahm ab.
»Ja?«, meldete er sich barsch.
Er hörte nur, wie jemand atmete und wenig später auflegte. Teichmann hielt den Hörer einen Moment in der Hand, legte ihn schließlich auf die Einheit, blieb kurz stehen und fuhr sich mit einer Hand durchs Haar. Da war wieder dieses Zittern, das er bereits am Nachmittag und beim Spaziergang mit Dina verspürt hatte – Angst und Unbehagen.
»Wer war das?«, rief Natalia aus dem Schlafzimmer.
»Wahrscheinlich falsch verbunden. Hat jedenfalls nichts gesagt, sondern gleich wieder aufgelegt.«
Teichmann verharrte noch einen Moment neben dem Telefon, zog den Stecker aus der Buchse und ging dann durchs ganze Haus und kontrollierte, ob auch alle Rollläden heruntergelassen, die Fenster zu und die Türen abgeschlossen waren. Ich werde mein Leben ändern, dachte er und schloss für einen Moment die Augen. Ich muss mein Leben ändern. Verdammt, Rudolf, warum bist du nicht mehr da?! Aber vielleicht ist es ganz gut, dass du nicht mehr unter uns bist. Es ist gut so, es ist einfach besser. Nur so kann ich mein Leben ändern.
»Was hast du denn noch so lange gemacht?«, fragte Natalia und blickte von ihrem Buch auf.
»Nichts weiter«, log er. »Ich musste nur noch mal aufs Klo und hab ein Glas Wasser getrunken. Das Essen war ziemlich scharf.«
Sie legte das Buch auf den Nachtschrank, löschte ihre Lampe und drehte sich zu ihm hin. »Ich möchte in deinem Arm einschlafen. Mir ist kalt.«
»Dann komm her – Mama«, sagte er grinsend, etwas, das er selten tat. Teichmann war ein eher ernster Mensch, der außer einem Lächeln nur selten emotionale Regungen zeigte. »Ab wann kann man eigentlich etwas fühlen?«
»Du meinst, ab wann du etwas fühlen kannst. Das dauert noch. So fünf Monate etwa.«
»Und du wirst dich auch schonen?«, fragte er besorgt, während sie in seinem Arm lag und sich an ihn schmiegte. »Könntest du die Praxis nicht wenigstens am Mittwochnachmittag schließen?«
»Eberhard, darüber haben wir uns doch schon etliche Male unterhalten. Auch wenn ich schwanger bin, ich bin nicht zerbrechlich. Ich weiß genau, wie viel ich mir zumuten kann. Außerdem kann ich die Therapien nicht einfach abbrechen, die Patienten brauchen mich. So, und jetzt lass uns schlafen, der Wecker klingelt in nicht einmal sieben Stunden.«
»Was wünschst du dir eigentlich?«, fragte
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