Tod eines Lehrers
ängstlich oder anders als sonst?«
»Nein. Oder?« Drescher schaute seine Kollegen an, die ihm zustimmten. »Ich werde überlegen, ob ich den Unterricht am Montag und Dienstag in der Oberstufe ausfallen lasse. Ich denke, es wäre pietätlos, wenn wir so tun würden, als wäre nichts geschehen. Allerdings werde ich mich deswegen noch mit den jeweiligen Tutoren besprechen.«
»Herr Brandt, glauben Sie, dass auch noch andere von uns in Gefahr sind?«, fragte Baumann.
»Nein, das glaube ich nicht.«
»Und weshalb glauben Sie das nicht?«
»Weil es klare Hinweise darauf gibt, dass man es gezielt und ausschließlich auf Schirner und Teichmann abgesehen hatte. Dennoch sollte jeder von Ihnen in den nächsten Tagen vorsichtig sein und vor allem nachts keine einsamen Straßen oder Wege benutzen. Aber ich bin ziemlich sicher, dass keiner von Ihnen in Gefahr ist.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr«, sagte Baumann.
»Sagen Sie’s ihm, Sie sind der Religionslehrer«, entgegnete Brandt trocken.
»Hoffentlich hört er auf mich.«
»Ich muss mich jetzt leider verabschieden, eine Menge Arbeit wartet auf mich. Gibt es irgendjemanden hier, dessen Adresse und Telefonnummer nicht auf meiner Liste steht?«
»Nein«, antwortete Drescher, »die Liste enthält die Namen und Adressen sämtlicher Lehrer, die an dieser Schule tätig sind. Viel Glück und hoffentlich haben Sie Erfolg.«
Brandt nickte und ging zu seinem Wagen. Er suchte die Adresse von Kerstin Abele raus, schaute im Stadtplan nach, wie er am schnellsten dorthin kam, und machte sich auf den Weg. Sie wohnte in einem noblen Neubaugebiet am andern Ende von Langen in der Nähe des Galgenbergs.
Freitag, 13.50 Uhr
E r verfuhr sich zweimal, schaute noch einmal im Stadt-plan nach und fluchte leise vor sich hin. Schließlich fand er die kleine Straße, in der alle Häuser weiß gestrichen waren und jetzt im gleißenden Sonnenlicht noch heller strahlten. Brandt klingelte, erblickte die kleine Überwachungskamera links über sich und schaute direkt hinein.
»Ja?«, kam eine weibliche Stimme aus dem Lautsprecher neben der Klingel.
»Brandt, Kriminalpolizei. Ich würde gerne mit Kerstin Abele sprechen.«
»Moment.«
Die Tür ging auf, eine jugendlich wirkende Mittvierzigerin stand vor ihm, schlank, leuchtend blaue Augen, kurze blonde Haare. Sie hätte noch jünger ausgesehen, wären da nicht die Krähenfüße um die Augen und die tiefen Falten um die Nase und den Mund.
»Kriminalpolizei? Dürfte ich bitte Ihren Ausweis sehen?«
Brandt hielt ihn hoch, die Frau warf einen Blick darauf und sagte: »Ich bin die Mutter von Kerstin. Sie ist oben in ihrem Zimmer. Geht es um Herrn Schirner?«
»Ja. Ich habe nur ein paar Fragen an Ihre Tochter.«
»Kommen Sie rein, ich hole sie.«
»Nein, sagen Sie mir nur, wo ich sie finde, ich würde nämlich gerne unter vier Augen mit ihr sprechen.«
»So geheimnisvoll? Aber gut, wie Sie wünschen. Die Treppe hoch, zweite Tür links. Aber klopfen Sie bitte an, Kerstin mag es nicht, wenn man einfach so in ihr Zimmer platzt.«
Brandt ging nach oben, nicht ohne einen ersten Eindruck des Hauses in sich aufzunehmen, der ihm sagte, dass es hier an Geld nicht mangelte. Die Einrichtung hatte etwas gediegen Luxuriöses, auch wenn er nur den Flur und einen Teil des Wohnzimmers durch die offen stehende Tür sah. Er erinnerte sich, wie Kerstin erwähnt hatte, ihr Vater sei Chefingenieur bei der Lufthansa, ein Job, der offensichtlich sehr gut bezahlt wurde. Er klopfte an die hellbraune Tür, wie überhaupt alles in diesem Haus in warmen Erdtönen gehalten war. Von drinnen kam ein leises »Herein«.
Kerstin lag auf dem Bett, die Fernbedienung in der Hand, und zappte sich gerade durch mehrere Fernsehkanäle. Als sie Brandt erblickte, zuckte sie kurz und ängstlich zusammen.
»Hallo, Frau Abele«, sagte Brandt und machte die Tür hinter sich zu. »Man hat mir in der Schule gesagt, dass Sie heute schon früher nach Hause gegangen sind. Ich müsste aber noch einmal mit Ihnen sprechen.«
»Um was geht’s?« Sie ließ den Fernseher laufen, schaltete nicht einmal die Lautstärke herunter.
»Können Sie das mal für einen Moment ausmachen, ich hab keine Lust zu schreien.«
Sie verzog nur genervt den Mund und drückte den Ton weg.
»Besser so?«
Brandt nahm sich einen Stuhl und setzte sich. Es war ein großes Zimmer mit viel Licht, das durch ein breites Fenster und eine schmale Tür, die auf einen kleinen Balkon führte, drang. Die Einrichtung entsprach dem
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